Aufsatz von Weiniger über die Schlacht im Jahre 1809

Der 23. April 1809 in Regensburg
Kriegsgeschichtliche Skizze von H. Weininger, 1868
in: Streffleurs militärische Zeitschrift, Band 2;Band 9 (Google eBook)

Verlag L. W. Seidel, 1868
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Monthly issues published 1811-90 contain a section on army personnel changes, called, 1811-47, Neeste Militärveränderungen; 1848-49, 1864-90, Personalveränderungen; 1860-63, Armeenachrichten.



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Der 23. April 1809 in Regensburg.
Kriegsgeschichtliche Skizze von H. Weininger.
Der 23. April 1809 war ein Tag des Schreckens und der Noth für Regensburg'. Nicht nur, dass ein Theil dieser Stadt in Rauch aufging, die Franzosen plünderten sie noch nach der Einnahme aus. Als ich vor nahezu zwanzig Jahren nach Regensburg kam, fanden sich unter dem Bürgerstande noch Männer genug vor, welche dann und wann einzelner Vorfälle jenes jammervollen Tages gedachten. Solche Erinnerungen aus Jugendjahren erhallen sich allerorts in ungeschwächter Frische. Derlei Notizen und was ich in kriegsgeschichtlichen Werken seit jener Zeit fand, bestimmten mich, den Versuch zu wagen, dem Leser ein treues Bild jenes Tages zu schaffen. Wie bekannt, wurde Kaiser Napoleon an diesem denkwürdigen Tage vor Regensburg verwundet.
Was den Krieg von 1809 hervorrief, gehört nicht in dieses Bereich. Von den kriegerischen Begebenheiten jener Zeit sei nur erwähnt, dass Kaiser Napoleon durch seine Agenten erfahren hatte, das Dorf Hausen zwischen Kelheim einer-, dann zwischen Rohr und Abbach andrerseits sei der Sammelplatz sämmtlicher österreichischer Armee-Corps. Dahin dirigirteNapoleon seine Colonnen und wusste diese so zwischen den sich sammelnden Österreichern einzuschieben, dass plötzlich jeder Heerführer der österreichischen Corps einen französischen Marschall oder General vor sich fand, der ihn nicht nach Hausen gelangen liess. Jeder Versuch der Österreicher, sich zu vereinigen schlug fehl. Sie wurden einander ferne gehalten. Ein Theil derselben retirirte auf Abensberg, Eggmühl und Thann, während ein anderer sich auf Landshut zurückzog und dann über den Inn ging.
Nachdem die Schlacht bei Eggmühl am 22. April verloren gegangen, blieb nur der Rückzug über die Donau. Bis aber die k. k. österreichischen Truppen vor Regensburg sich gesammelt hatten, und eine Schiffbrücke unterhalb dieser Stadt geschlagen war, musste da und dort noch hartnäckig gestritten werden. Einstimmig fiel später das Urtheil dahin aus, dass man es nur der seltenen Bravour und Ausdauer der Reiterei zu danken habe, dass dieser Flussübergang einigermassen geordnet vor sich gehen konnte. Später soll einzelner Waffenthaten gedacht werden, welche die Glanzpunkte mancher Regimen tsgeschichte bilden. Jetzt aber ist zu erwähnen, wie die Österreicher in den Besitz von Regensburg kamen. Wäre diese damals noch mit Mauern und ziemlich tiefen Gräben umzogene Stadt in der Hand der Franzosen gewesen, so fragt sich sehr, ob die Österreicher die benöthigte Zeit gefunden, sich vor dem Übergang über die Schiffbrücke gehörig zu sammeln. Auch war damit gewonnen, dass mehrere Corps der Österreicher, Regensburg passirend, die steinerne Donaubrücke überschreiten konnten. Regensburg steht aul der ganzen Stromlinie am nördlichsten. Hier laufen die Hauptstrassen aus Bohmen, der Oberpfalz, Franken und von Niederbayern zusammen. Regensburg war von jeher der Schlüssel zum Bayerland.
Das bei Kürn — etwa vier Stunden nördlich von Regensburg — stehende II. Armee-Corps unter dem Feldzeugmeister Gralen Ko low rat hatte am 18. April Belehl erhallen, den Marschall Davoust in Stadtamhof anzugreifen. Als am 19. April Vormittags die Österreicher die dortigen Höhen erreichten, ergab sich, dass jener Marschall gegen Neustadt (an der Donau) abgegangen, dass Stadtamhof und Regensburg, welche durch die Donaubrücke verbunden sind, nur von 1800 Mann Franzosen unter Oberst Coutard verIheidigt würden.
Nachdem dieser Oberst möglichst lange mit der Capitulation gezögert, ergab sich Coutard am Abend des20. April. In Folge der hier getroffenen Übereinkunft besetzten die österreichischen Truppen Regensburg und das jenseits gelegene Stadtamhof. Die Soldaten des französischen 65. LinienRegiments streckten vor dem Ostenthore das Gewehr und wurden als Kriegsgefangene nach Ungarn abgeführt. Die Officiere waren auf ihr Ehrenwort, in diesem Kriege nicht weiter gegen Österreich dienen zu wollen, entlassen worden. Dem Oberst Coutard gelang es, einen Adler des Regiments zu retten. Vier Tage später überreichte er diesen seinem Kaiser in Regensburg. Napoleon begnügte sich, dem Oberst Coutard zu sagen, dass die Ofticiere ihr Schicksal nie von demjenigen ihrer Mannschaft hätten trennen sollen. Der Jubel, welcher in der Stadt bei dem Abzuge der Franzosen und dem Einmarsche der Österreicher herrschte, war leider nur von kurzer Dauer, denn zwei Tage darauf schlug man sich bei Eggmühl. Die Österreicher mussten weichen und zogen sich nach Regensburg zurück.
Man sagt, Marschall Lannes habe nach der Schlacht von Eggmühl, welche Abends 8 Uhr zu Ende ging, den Vorschlag gemacht, den Marsch bis an die Donau fortzusetzen und der feindlichen Armee auf dem Fusse zu folgen, um den Krieg unter den Mauern Regensburgs zu beenden. Die anderen Marschälle sprachen dagegen wegen des weiten Weges, der ausserordentlichen Ermüdung der Infanterie und wegen der Gefahren eines Nachtgefechtes. Dabei wiesen sie auf die Entschlossenheit hin, welche die Österreicher allerorts gezeigt, und auf die Widerstandsmittel, welche Erzherzog Carl hinter den Mauern Regensburgs finden werde. Die französischen Truppen waren von Hunger und Strapazen erschöpft. Ein grosser Theil der Infanterie kam an diesem Abend von Landshut an, war also seit vierzehn Stunden in steter Bewegung, hatte während sieben Stunden gefochten und gleich den Österreichern Nichts gegessen. Napoleon gab Befehl, die Biwaks zu beziehen. Die Infanterie lagerte sich die Nacht hindurch in zwei grossen, jedoch mit einander verbundenen Massen bei Alteneglofsheimund Thalmassing, die Cürassierebei Köfering, die übrige Cavallerie auf den Flügeln bei Pfatter und Abbach. Die Aufstellung der Franzosen und Österreicher bildete sohin zwei concentrische Halbkreise, deren Durchmesser die Donau und deren Mittelpunkt Regensburg war. * Napoleon schlug sein Hauptquartier in dem Schlosse zu Alteneglofsheim auf, in denselben Räumen, welche Erzherzog Carl Morgens 10 Uhr verlassen hatte. Bayerische Chevauxlegers bildeten seine Escorte. Der Kronprinz von Bayern, der kürzlich in Nizza verstorbene König Ludwig I., welcher eine Division befehligle, übernachtete damals gleichfalls zu Alteneglofsheim. Wegen des herrschenden Mangels an Lebensmitteln durchsuchten die Soldaten alle Winkel in den Häusern und bedienten sich hiezu brennender Kienspäne. In Kürze brannten zwanzig Häuser nieder. Wasser war wenig zur Hand, und den Soldaten auch Nichts daran gelegen, dass diese ein Raub der Flammen wurden.
Obgleich die österreichischen Truppen durch Märsche und Entbehrungen bis zum Äussersten erschöpft waren, , nährte man in allen Lagern die Hoffnung, dass am kommenden Morgen der Kampf wieder fortgesetzt werde, und Alles jubelte bei diesem Gedanken. Ungebeugt war der Muth und die Zuversicht dieser trefflichen Truppen. In der Stärke von vielleicht 50,000 Mann lagerte das österreichische Heer derart, dass das II. Armee-Corps bei der Karthause Prüll (südlich von Kumpfmühl), das III. und IV. zwischen Oberisling und Burgweinting sich befanden. Erzherzog Carl nahm sein Hauptquartier in Regensburg. Erst gegen 11 Uhr Nachts traf er da ein.
Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass das österreichische Heer ohne Kriegs- und Mundvorrath war, und die Reiterei, welche auf dem offenen Gelände den Ausschlag geben musste, nur mehr 40 Escadrons zählte. Da ferner im Rücken der Armee Regensburg nicht lange zu hallen war, lebte in Erzherzog Carl die Überzeugung, dass ein Zurückweichen hinter die Donau zur unabweisbaren Nothwendigkeit geworden sei, und man es auf keine neue Schlacht ankommen lassen dürfe. Es blieb ohnedem nur mehr die Strasse nach Böhmen offen, und war keine Minute zu verlieren, selbe einzuschlagen. Erzherzog Carl traf noch während der Nacht vom 22. April alle Anstalten zum Rückzug. Eine klare Mondnacht begünstigte den Vollzug aller Anordnungen. Das IL, III. und IV. Armee-Corps sollten die steinerne Brücke zu Regensburg passiren, dann die Strassen nach Waldmünchen und Cham einschlagen. Unter Feldzeugmeister Graf Kolowrat sollte das II. Armee-Corps, und unter dem General der Cavallerie Fürsten Liechtenstein das I. Reserve-Corps den allmäligen Rückzug decken. Diese hätten über die Schiffbrücke bei Weichs zu gehen.
Mit Tages-Anbruch standen die genannten Corps der österreichischen Armee zwischen der Karthause Prüll, Burgweinting und Oberisling zum Abmarsche bereit. Die Schiffbrücke war Früh 5 Uhr zu schlagen begonnen worden. Weil man aber über einen todten Donauarm noch eine Laufbrücke herstellen musste, so brauchte man zu ihrer Vollendung bei drei Stunden. Die Kürze der Zeit gestatlele nicht mehr, den Zugang zu verschanzen. Diesseits der Schiffbrücke wurde das Infanterie-Regiment Slain und ein Theil von Erzherzog Carl, jenseits zwei Grenadier-Bataillons und eine Zwölfpfänder Batterie aufgestellt. Das 2. und 3. Bataillon vom Regimente Roh an erhielten gleichfalls den Befehl, die Schiffbrücke zu sichern.
Kehren wir nun zur Stadt zurück. Regensburg hatte damals vier Thore, welche aus alten aber solid gebauten Thürmen bestanden. Das Osten- und Petersthor (gegen Süden) waren schon am Abend des 22. April geschlossen und verrammelt worden. Das Jakobsthor (gegen Westen) halle man vorderhand noch offen gelassen, und das Brückenthor in entgegengesetzter Richtung des Petersthores musste geöffnet bleiben. Nebst der erforderlichen Artillerie waren die Infanterie-Regimenter Zach und Zcdtwitz in der Stärke von sechs Bataillons als Besatzung in die Stadt gelegt worden. Hier befehligte Generalmajor F öls eis.
Auf den südlichen Höhen vor der Stadt standen unter dem Commando des Generalmajors Veösey ein Bataillon vom Regimente Rohan, das Chevauxlegers - Regiment Klenau, die Jäger-Bataillons Nr. 5 und 6. Ein Grenadier-Bataillon hielt Burgweinting besetzt. Zwischen den Strassen von Straubing und Landshut postirte sich mit vier Cürassier-Regimentern der General der Cavallerie Fürst Liechtenstein mit der Bestimmung, den Rückzug der Armee zu decken, namentlich ein rasches Vordringen der fran zösischen Reiterei zu verhindern. Die waren die Regimenter Albert, Erzherzog Franz, Erzherzog Ferdinand und H o h e n z o 11 e r n.
Die österreichische Cavallerie, welche im Ganzen kaum 4000 Pferde stark war, nahm einen Raum von eben so vielen Schritten ein, wesshalb es vielleicht vorzuziehen gewesen wäre, in einer concentrirten Stellung die weiteren Ereignisse abzuwarten, umsomehr als die feindliche Reiterei an Zahl nahezu vier fach überlegen war. Dagegen wird eingewendet, dass die beiden Brücken, auf welchen der Übergang geschehen sollte, weil von einander entlernt waren, und die Strecke, welche gegen des Feindes Unternehmungen gesichert werden sollte, sich dergestalfausdehnte, dass jedes Regiment einzeln aufgestellt werden und nach Zulassung des Terrains für sich wirken mussle.
Während dieHuszaren-Regimenler Stipsics (Nr. 10) und Erzherzog Ferdinand bei Obertraubling und Burgweinting sich mit den französischen Cürassieren herumhieben, war der Übergang über die Schiffbrücke unbemerkt von den Franzosen vor sich gegangen. Das Infanterie-Regiment Würzburg Nro. 7) passirtc mit Erzherzog Carl zuerst die Brücke. Feldmarschalllieutenant Klenau war mit sechs Escadrons Meerveldt-Uhlanen den eben genannten Huszaren-Regimentern, welche sich schon etwas im Gedränge befanden, zu Hilfe gekommen. Nach dem ersten Anpralle hatte Major Graf Mensdorff-Prjui lly seine zwei Escadrons Uhlanen schneller wieder geordnet, als dies den französischen Carabiniers (Fußnote:  Die Division Nansouty bestand aus einem Carabinier- und fünf CürassierRegimentern. Zum Unterschiede von den Cürassieren führten die Carabiniers kupferne Cürasse und Helme, auf letzteren rothe Raupen. Die Uniformirung der französischen Cürassiere jener Zeit ist zu bekannt, um ein Wort hierüber zu verlieren.') möglich war. Die Uhlanen fielen über das Carabinier-Regiment her, durchbrachen seine Reihen und rieben es zur Hälfte auf. Die herrenlosen Pferde der Franzosen liefen in Rudeln umher. Leider erhielt Major Gral Mensdorff mehrere Wunden.
Es war etwa 9 Uhr Vormittags, als der Hauptkampf der Reiterei vor sich-ging. Immerhin bedarf derselbe einer aufmerksamen Betrachtung. Denn was. hier die österreichische Cavallerie leistete, bleibt Staunenswerth für alle Zeiten.
Statt die herandrängende französische Reiterei mit gesammler Macht zugleich an der Tete und in den Flanken anzufallen, beorderte Fürst Liechten stein nur das einzige Cürassier-Regiment Hohenzollern (Nr. 8) zum Angriff. In freier Ebene stand dieses Regiment in zwei Treffen aufgestellt, als alle sechs Cavallerie-Regimenter der Division Na'nsouty aus dem nahen Walde hervorbrachen. In gleicher Formation hielten seitwärts die anderen drei österreichischen Cürassier-Regimenter. Hohenzollern ward geworfen, und siegestrunken stürmten nun die sechs schwer gewappneten Regimenter auf Kronprinz los. Drei Angriffe wurdeh zurück geworfen, bei welchen Anlässen die FYanzosen unendlich viel an Mannschaft und Pferden einbüssten. Bei dem vierten Zusammenstosse jedoch wurde Kronprinz geworfen und zersprengt. Eines nach dem anderen erfuhren das gleiche Schicksal die Cürassier-Regimenter Erzherzog Franz und Albert.
Nun kam die Reihe an Klenau-Chevauxlegers. Diese hatten durch eine nachhaltige und musterhaft ausgeführte Attake den anstürmenden Feind zurück geworfen. Da traf die französische leichte Cavallerie-Division Montbrun, so eben von Abbach kommend, auf dem Kampfplatz ein, fiel diesem Chevauxlegers-Regiment in die rechte Flanke und brachte es zum Weichen. Zwischen dem Dorfe Grass und der Karthause Prüll wurden die Oberlieutenants Graf Wratislaw s) und Baron Frank, beide vom Regiment Klenau, schwer verwundet und fielen in Gefangenschaft.
Nach dreistündigem blutigem Kampfe wichen endlich die österreichischen Cavallerie-Regimenter der feindlichen Übermacht. Wasbrave Truppen, tapfere Anführer an der Spitze, je geleistet, vollbrachten hier Österreichs Reiterschaaren. Ihr aufopfernder Muth allein hatte den bisher ungestörten Rückzug der Armee, sowohl über die steinerne als die Schiffbrücke ermöglicht.
Die Reiterabtheilungen der Generale Stutterheim, Klenau und Vescey zogen sich in fortwährendem Handgemenge mit der feindlichen Reilerei an das Jakobsthor von Regensburg zurück. Nachdem dieses passirt war, wurde es geschlossen und verrammelt. Wenig fehlte, dass die französischen Reiter mit eindrangen. Mehrere' Carabiniers wurden am Rande des Stadtgrabens erschossen. Einige hundert Mann Stipsics-Huszaren als letzte Nachhut fanden die Thore allerorts geschlossen. Der Gefangenschaft zu entgehen und um zu den Ihrigen zu gelangen, durchschwammen diese die Donau. Leider aber ereilte viele dieser Braven der Tod in den Fluten.
Es war ungefähr um die Mittagszeit, als die Franzosen die Schiffbrücke erst gewahrten. Was an Geschützen aufzutreiben war, wurde dahin dirigirt. Das Kanonenfeuer, das nun seinen Anfang nahm, richtete eine unendliche Verwirrung unter den Österreichern an. Weil ein Seilgeländer fehlte, stürzten viele in den Strom und fanden so ihren Tod. Zwei Escadrons von AlbertCürassieren standen noch diesseits. Schnell entschlossen stürzten sich diese Reiter, an ihrer Spitze die Rittmeister Graf Clary und Bayerweck, in Mitte eines französischen Cürassier-Regiments und zersprengten dasselbe. Graf Clary fiel nach ritterlicher Gegenwehr in Gefangenschaft. Rings vom Feinde bedrängt, glaubte ein Bataillon des Regiments Erzherzog Carl sich und seine Fahne verloren. Da riss der Gefreite K o s a b e k diese von der Stange, verbarg sie unter dem Rock, schwamm an's jenseitige Ufer und brachte die Fahne glücklich zu seinem Regimente. Unter dem heftigsten Eartätschenleuer kappten die Pionniere die Ankertaue und liessen die Schiffe rinnen. Die Strömung trieb diese bald an's rechte Ufer, wo sie von den Franzosen aufgefangen wurden.
Nun richtete Napoleon sein Augenmerk auf die Stadt. Die südlichen Höhen vor derselben, wo jetzt das Pulvermagazin und mehrere Keller stehen, waren bereits alle von französischer, bayerischer und würtlembergischer Infanterie besetzt. Auf dieser Seite unterhielten von einzelnen Thürmen wie von den Wehrgängen der Stadtmauer die österreichischen Soldaten ein lebhaftes Gewehrfeuer. Dem Kaiser Napoleon dauerte der ganze Vorgang schon zu lang. Ungeduldig näherte er sich der Anhöhe am Galgenberge und betrachtete mit einem Fernrohr die Stadt und Umgebung. Als man ihn auf das Gefährliche des Platzes aufmerksam machte, bemerkte er: „Ich muss doch wohl sehen, was vorgeht." Napoleon war gerade im Gespräche mit Marschall Lannes, als er sich am rechten Fuss berührt fühlte. Eine matte Flintenkugel hatte ihn am Rist getroffen. Die Wundärzte der Garde zogen ihm den Stiefel aus, entdeckten eine starke Quetschung und legten einen leichten Verband an. Ein Stein, der ihm dabei als Sitz diente, wird seitwärts des Weges nach Unter-Isling noch gezeigt'). Napoleon schwang sich bald wieder auf sein Pferd, um irrige Gerüchte zu widerlegen. Allenthalben wurde er mit nicht enden wollendem Jubel von den Truppen begrüsst.
Es war sechs Uhr Abends geworden. Wo jetzt in der Verlängerung des sogenannten Klarenangers ein Weg durch die Allee zu der Landshuter Strasse führt, wurde am vormaligen Waisenhausgarten Bresche geschossen. Den Grabenniedergang zu ermöglichen, liess Marschall Lannes aus den umliegenden Dörfern Leitern auf Wagen herbeischaffen. Freiwillige wurden nun vorgerufen. Grenadiere vom 85. Regiment eilten mit den bereit gehaltenen Leitern herzu. Ein Theil derselben sank jedoch getroffen schon auf dem Hin
!) Im Jahr 1864 liess der Journalist Marchner den Stein durch eine Tafel zieren, deren Inschrift lautet: Von dieser Höhe aus leitete Napoleon I. die Schlacht vom 23. April 1809, wurde verwundet und auf diesem Stein sitzend verbunden.
wege zusammen. Die letzten ereilte der Tod am äusseren Grabenrand. Den zweiten Aufruf von Freiwilligen traf das gleiche Geschick. Als bei dem dritten Versuche die Franzosen zauderten, rief Cannes; „Ihr sollt sehen, dass Euer Marschall noch Grenadier ist!" Dabei ergriff er eine Leiter, um sie an Ort und Stelle zu tragen. Seine Adjutanten, die Obersten Labedoyere und Marbot entrissen ihm aber die Leiter. Nun drängten sich die Grenadiere in Massen vor, holten die Leitern und stellten dieselben trotz des mörderischen Feuers in den Graben. Marbot und Labedoyere zeigten sich als die Ersten auf der Bresche. Nun stellten die Österreicher auf den Wehrgängen und den Thürmen das Feuer ein und zogen sich zurück. Die genannten beiden Oberste eilton mit den Grenadieren des 85. Regiments innerhalb der Stadtmauer zum nahen Petersthore, beseitigten die Verrammlung und öffneten es. An der Spitzedes eben genannten Regiments drang Marschall Lannes zu diesem Thore herein, Alles vor sich nieder,werfend, was noch einen Widerstand versuchte.
Durch Granaten würfe entzündet, brannte bereits ein Theil der Stadt, den die Franzosen durchschreiten mussten. Die Österreicher zogen sich fechtend von Gasse zu Gasse zurück. Von dem Augenblick an, wo das PetersIhor geöffnet worden, erschien jeder Widerstand nutzlos. Unvermuthet erschienen die Franzosen zwischen vereinzelten Abiheilungen der Regimenter Zach und Zedtwitz. Der österreichischen Besatzung den Rückzug abzuschneiden, liess Marschall Lanrfes gleich nach dem Eindringen in die Stadt eine starke Colonne gegen die Donaubrücke vorgehen. Eine in Regensburg lebende Französin führte ihre Landsleute im lebhaftesten Gewehrfeuer dahin. Wenig Österreichern nur gelang es, nach Stadtamhof zu entkommen. Der grösste Theil der genannten Regimenter wurde gefangen. Es war sieben Uhr Abends, als die Franzosen völlig Meister von Regensburg waren. Unter dem Vorwande, dass man die Stadt mit Sturm genommen, wurde Regensburg der Plünderung preisgegeben.
Viele Verwundete und Marode lagen in der Jesuitenkirche, welche vordem ihren Platz zwischen dem Niedermayer'schen Gasthause, dem Hause des Glockengiessers Spannagel und dem vormaligen „bayerischen Hofe" zunächst dem Pelersthore hatte. Durch herein geworfene Granaten ging diese Kirche in Feuer auf. Vielen der Kranken selang es noch, mit letzter Kraftanstrengung bis zu den Fenstern emporzuklimmen, diese zu zerschlagen, um Luft zu bekommen. Herzzerreissend sollen deren Hilferufe gewesen sein. Die Einwohner waren durch Brand und Plünderung zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um diese Unglücklichen retten zu können. Sie wurden ein Opfer des diesen ganzen Stadttheil verheerenden Elementes.

Nicht unerwähnt darf bleiben, welchen Gefahren Michael Wiltmann (Fußnote:  Geboren am 22. Jänner 1760 auf dem Finkenhammer bei Hohenstrauss in der Oberpfalz, starb er den 8. März 1833 als Bischof zu Regensburg. Von Nah und Ferne strömte das Volk herbei, den Verblichenen noch einmal zu sehen, oder ein Andenken von dem „Heiligen", wie man ihn nannte, zu erhalten. Ihm verdankt die Nachwelt auch die verlässigsten Aufzeichnungen über diesen Tag der Angst und des Schreckens.)
der damalige Regens des Klerikal-Seminars, sich aussetzte. Als der Kampf noch in Regensburg wüthete und die Flammen gegen Himmel schlugen, erschien dieser edle Mann, überall wo die Not'i am grössten war, als ein Bote des Himmels. Die Kämpfenden Hessen ihn unbelästigt durch ihre Reihen schreiten. Seine Erhaltung in Mitte von Greuelscenen aller Art grenzt an's Wunderbare. Hunderten von Gefahren trotzte er, um Verwundete in Sicherheit zu bringen oder Sterbenden den letzten Trost des Glaubens zu ertheilen.
Mittlerweile hatten Franzosen, Bayern und Würtlemberger sich in dei* ganzen Stadt vertheilt und Quartier genommen. Manches Haus blieb auch ganz von Einquartierung und Plünderung frei. Wieder andere, wo etwas zu finden war, wurden zuerst aufgesucht und deren Hausthüren durch die Äxte der Pionniere eingeschlagen. Waren diese nicht zur Hand, so schossen die Franzosen in die Schlüssellöcher, um das Schloss zu sprengen: Es liegt der Gedanke sehr nahe, dass den Franzosen durch das Gesindel von Regensburg jene Häuser bezeichnet wurden, wo Beute zu hoffen war. Es wird behauptet, man habe da und dort gesehen, wie plündernde Rotten durch Civilpersonen bis vor die Hausthüren der auszuraubenden Gebäude geführt wurden. Gefiel es den Franzosen in1 einem Hause, und sie wollten keine mehr einlassen, so schrieen sie den Einlass Begehrenden zu, diese sollten machen, weiter zu kommen* da liege ein blessirter Colone!, oder da habe General So und SoQuartier genommen. Wieder andere belustigten sich, mit geladenen Gewehren die Wallerstrasse entlang über den Kohlmarkt zu streifen, um da und dort herumliegende österreichische Soldaten zu erschiessen. Durch den Genuss von Wein und Bier total betrunken, lagen diese an den erwähnten Orten wie auch-im Taubengässchen herum. Wo die Franzmänner nun einen solchen Weissrock liegen sahen, traten sie herzu, hielten ihm die Mündung des Gewehres vor den Kopf oder vor die Brust und drückten los. Stolz auf eine solche Heldenthat, wurde dann wieder geladen, und ein Zweiter oder Dritter noch erschossen.
Nun werde der steinernen Brücke gedacht, welche Regensburg mit Stadtamhof verbindet. Den heissen Sommer von 1135, wo die Donau nahezu versiegt war, benützten die Bürger ersterer Stadt, eine massive Brücke über diesen Strom zu spannen. Nach eilf Jahren stand sie da. Einen gewissen Herbodj der später als Brückenmeister vorkommt, halten etliche für den Erbauer. Sie hat eine Länge von 1991, eine Breite von 23 Werkschuhen und wird von fünfzehn zirkelrunden Bögen getragen.
Fast zu gleicher Zeil erreichten jene der Gefangenschaft entronnenen Österreicher und die sie verfolgenden Franzosen1 das Brückenthor und die steinerne Brücke, den' einzigen Ausgang aus Regensburg. Weil aber jenseits der Brücke zu Stadtamhof der Brückenthurm gesperrt war, geriethen die erschöpften Österreicher in die schrecklichste Lage, und der Kampf Mann gegen Mann war unvermeidlich. Von dem Brückenthurme und den zunächst gelegenen Häusern Stadtamhofs richteten die Österreicher ein vernichtendes Gewehrfeuer auf die vordringenden Franzosen. Ein Versuch der letzteren, sich Stadtamhof zu nähern, fiel blutig aus, und ganze Rotten wurden niedergestreckt. Immer mehr Franzosen drangen nach, und die Österreicher, welchen kein Ausweg blieb, verkauften ihr Leben so theuer als möglich. Bis zum letzten Athemzuge wurde gestritten und gerungen. Was an Menschen, Pferden und Wagen auf der Brücke lag, wurde von den Franzosen über das Geländer in die Donau gestürzt. Viele Verwundete rangen noch mit dem Tode und streckten, um Rettung flehend, die Arme aus den Wellen empor, aber der reissende Strom verschlang sie alle. Manche blieben auch zerschmettert auf den Brückenpfeifern liegen. Auf diese Grcuefscenen richteten die österreichischen Geschütze vom Dreifaltigkeitsberge herab ein mörderisches Feuer, das Freund und Feind niederschmetterte, und bald war die Brücke nur mehr der Schauplatz der Vernichtung und des Todes.
Bei der Möglichkeit, dass es den Franzosen gelingen könnte, sich Stadtamhofs zu bemächtigen, zündeten die Österreicher vom Dreifaltigkeitsberge aus mittels Granaten diesen Ort an. Man weiss noch genau, welche Häuser es waren, welche zuerst brannten. Bald war Stadtamhof ein wogendes Flammenmeer. Das vormalige Frauenkloster von Notre-Dame (nun Caserne), die Häuser am Gries, wie das gothische Kirchlein des Katharinen-Spitales blieben allein verschont. Nach Notre-Dame flüchtete sich Alles. Niemand kam es- in den Sinn, Löschversuche zu unternehmen. Der Brand hatte auch eine solche Hitze erzeugt, dass es keinem Menschen möglich war, in Stadtamhof von einer Häuserreihe zur anderen zu gehen, ohne zu ersticken oder zu verschmachten.
Von Regensburg stiegen noch immer gewaltige Rauchsäulen auf, und das lichterloh brennende Stadtamhof beleuchtete weithin die Donau wie die ganze Umgegend. Erst gegen Morgen legte sich das Feuer aus Mangel an Nahrung. Die Österreicher konnten sich sohin völlig unbelästigt über Kürn, Nittenau, Reichenbach und Roding nach Cham zurückziehen, wo gelagert wurde, um die Maroden und Versprengten zu sammeln. Von da ging dann die Retirade weiter nach Böhmen.
Napoleon hatte sein Nachtquartier in einem Häuschen des vormaligen Karthäuserklosters Prüll genommen. Viele Strassen Regensburgs waren am Morgen des 24. April wegen der herum liegenden Cadaver von Menschen und Pferden, umgestürzten Munitions- und Bagagewagen, Trommeln und Tornister kaum zu passiren. Erst am 25. konnten die Leichen alle weggeschafft werden. Sie wurden fuhrenweise zur hölzernen Donaubrücke gebracht und da in den Strom geworfen.
Um elf Uhr hielt Kaiser Napoleon seinen Einzug durch das Petersthor und stieg in der Residenz des Fürsten Carl Primas von Dalberg ab, nun Privateigenthum des Kaufmanns Ringler. Württembergische Reiterei bildete die Escorte, und in Napoleons glänzendem Gefolge sah man die Marschälle und Generale B er t hier, Lannes, Davoust, Duroc, Savary, Mouton und Reille. Mit dem Rücken gegen den Garten des Herrn Fürsten von Thum und Taxis gewendet, liess N apole on hier jene Theile der französischen Armee an sich vorüber ziehen, welche die Nacht hindurch ausserhalb der Stadt campirt hatten.
Die Franzosen liessen sich durch die Anwesenheit ihres Kriegsherrn in Regensburg und selbst durch dessen unmittelbare Nähe im Plündern gar nicht stören. In dem Hofe der Residenz des Fürsten Carl Primas von Dalberg stand eine Compagnie Grenadiere als Ehrenwache. Generale, Adjutanten, Ordonnanzen gingen ab und zu, sodass aul'der breiten steinernen Treppe ein stetes Gewoge von Uniformen aller Art war. Das hielt aber die Franzosen nicht ab, im Palais des Fürsten Dalberg zu plündern. Wie der Kammerdiener dies zur Anzeige brachte, und Fürst Primas sich bei Napoleon beschwerte, ass dieser ruhig weiterund bemerkte nur achselzuckend: c'e»t la guerre. Abends 9 Uhr gestattete Napoleon den Honoratioren der Stadt Audienz. Als der primatische Minister Freiherr von Albini sein Bedauern aussprach über die Verwundung Napoleons, entgegnete dieser: C'etait de ma faute, fetqis trap curieiix.
Schliesslich wollen wir noch einiger Tapfern der österreichischen Armee gedenken, welche in dem heissen Kampfe um den Besitz der Stadt lern von den Ihren zu Regensburg eine Ruhestätte fanden. Bei allem Fleisse, den Wackenreiter ') aufbot, wenigstens Namen und Heimat Jener festzustellen, welche in Militärspitälern oder Privathäusern ihren Wunden erlagen, können nur Nachstehende aufgezählt werden:
Reichsgraf F r a n z von Wratislaw aus Prag, Oberlieutenant im Chevauxlegers-Regiment Klenau, 19 Jahre alt, f den 6. Mai. — Joseph Freiherr von Frank aus Brüssel, Oberlieutenant im gleichen Reginiente, 32 Jahre alt, denselben Tag. — Joseph Kr ein er aus Pancsowa, Lieutenant im 12. Grenz-Regiment, 20 Jahre alt, f 9. Mai. — Alexander Wellander aus Königgrätz. Lieutenant im Regiment Zach, 21 Jahre alt, f 12. Mai. — Nikolaus Drialosky aus Biala in Weissrussland, Corporal im Grenadier-Bataillon Beaulieu, 58 Jahre alt, + 16. Mai. — Friedrich Steuer aus Lübben in der Niederlausitz,Lieutenant im Infanterie-Regiment Zach, 32 Jahre alt f 31. Mai.—Sebastian von Schmidmayer aus Wien, Lieutenant im Infanterie-Regiment Erzherzog Carl, 20 Jahre alt, f 22. Juni. — JohannGeorg Schmitt, Gefreiter im Lifanterie-Regiment Chasteler, 27 Jahre alt, f 26. September. — Johann Jung aus Priquel in Mähren, Corporal im Chevauxlegers-Regiment Vincent, 38Jahre alt, f 17. Januar 1810. —N. Muizkar aus Znaim, Gemeiner im Infanterie-Regiment Koburg, 19 Jahre alt, f 16. Februar i 810, und Michael Zinwinsky aus Polen, Corporal im InfanterieRegiment Zach, 32 Jahre alt, f 9. April 1810. — Nur weil diese nach dem verhängnissvollen 23. April 1809 starben, sohin in dem Pfarrbuch der Militärpfarrei St. Salvator verzeichnet wurden, blieb deren Gedächtniss erhalten.
Der Krieg fand seinen Abschluss durch den Frieden von Wien am 14, October 1809. Nach diesem Feldzuge ersuchte Kaiser Napoleon den Erzherzog Carl um Annahme des Grossadlers der Ehrenlegion. Erzherzog Carl erwiderte: „Sire! der Botschafter Euer Majestät hat mir die Ordenszeichen der Ehrenlegion und das rührende Schreiben, womit Höchstdieselben mich zu beehren geruhten, übergeben. Lebhaft durchdrungen von diesen ausgezeichneten Beweisen Ihres Wohlwollens, eile ich, Euer Majestät den Ausdruck meiner Dankbarkeit darzubringen, der nur die Bewunderung gleichkommen kann, welche mir Ihre grossen Eigenschaften einflössen. Die Achtung eines grossen Mannes ist die schönsteErnte auf dem Felde der Ehre."

*) Auf dem Friedhofe der unteren Stadt tragt eine Steintafel folgende Inschrift: Francois Comte de Wratislaw mort de Jcs blessures recues au Champ de Bataüle deiant JRatisborme le 23. Avril 1809. II laisse ä sa mhre des regrets bien sensibles, im long souvenir ä ses jjarens et ä ses amis. Requiescat in Face.

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