23. April, 1809. Seit nachmittag feuern die Franzosen mit Kanonen und Gewehren auf Regensburg. Manche Geschoße reichen bis zur Steinernen Brücke und entwickeln dort tödliche Wirkung. Um 19.00 Uhr wird Napoleon auf der Höhe der Hemauerstraße nach dem Rechte nsehen wollen und dabei eine verirrte Kugel in das Bein bekommen. Anlass für weltweite Gemälde - Napoleon, verwundet bei Regensburg.
Und bei Einbruch der Nacht werden die Stadtmauern an zwei Stellen fallen, bei der heutigen MArtin-Luther-Straße und beim Peterstor. Bis dahin haben Brände innerhalb der Stadtmauern unheilbare Schäden angerichtet - das Mittelmünsterkloster ist zur Ruine geweiht, und die Gegend um den Dauchplatz ist ruiniert.
Die ganze Nacht hindurch wird das Leid der Regensburger weitergehen, obwohl diese eigentlich politisch auf der Seite Napoleon sind. Aber die Österreicher, die seit Wochen mit den franzosen in Europa kämpfen, haben die Stadtmauern und Tore der Stadt Regensburg reaktiviert und die Stadt dichtgemacht, um nach Stadtamhof flüchten zu können.
Dabei geht es bei allem letztendlich darum, dass die österreichischen Truppen nach Böhmen fliehen wollen, die Franzosen dies verhindern wollen.
Was bisher geschah:
Nachdem den ganzen Vormittag die Franzosen gegen Napoleons Truppen vor der Stadt erbittert kämpften und schon 1000 Soldaten gefallen waren, merkten die Franzosen, dass die Österreicher heimlich eine Pontonbrücke, zusätzlich zur Steinernen, gebaut hatten, um die Truppen über die Donau Richtung Böhmen zu bekommen. Die Gefechte vor Regensburg hatten die Aufgabe, die Franzosen abzulenken und den Übermarsch zu ermöglichen. Parallel dazu versuchten die Österreicher durch die Stadt über die Steinerne Brücke nach Stadtamhof zu gelangen.
Erst kurz nach Mittag bemerkten die zu den Stadttoren vorwärtsdrängenden französischen Truppen die Pontonbrücke über die Donau, auf die sie dann sofort ein heftiges Artilleriefeuer richteten, um einen weiteren Übergang der Österreicher über sie zu unterbinden. Dennoch gelang es fast allen der noch südlich der Brücke stehenden Truppen, sie zu überqueren, bevor die Pioniere Feuer an die Brücke legten und die Ankertaue kappten. In der Zwischenzeit ließ Kaiser Napoleon die Wälle und die Stadt mit seiner gesamten Artillerie beschießen. Durch die Beschießung gingen in der Stadt schon nach kurzer Zeit zahlreiche Häuser in Flammen auf und bis zum nächsten Morgen brannten mehrere Kirchen, das Militär-Spital und 150 Wohnhäuser vollständig ab, noch wesentlich mehr wurden schwer beschädigt.
Allein die Wälle, die alte Stadtmauer und die Tore hielten bis 18 Uhr dem Beschuss der französischen Artillerie stand und alle Versuche, den tiefen Graben zu durchqueren, scheiterte. Besonders dramatisch war der Bereich zwischen der Landshuterstraße (Höhe altes Finanzamt) und der Stadtmauer - dazwischen war ein Graben, und alle Franzosen, die den Graben zu überwinden versuchten, wurden niedergemetzelt.
Ein paar Jahre vorher war der Status von Regensburg als freie Reichsstadt aufgelöst worden, Regensburg war ein Fürstentum unter Fürst Dalberg. Dieser ließ die Verteidigungsanlagen vor den Stadttoren abbauen und schuf einen Alleengürtel, die Mauern und Tore standen allerdings noch. In diesem Bereich wurde gekäpmft, von hier aus bombardierten die zwei französischen Truppen die Stadt, nachdem die Österreicher sich dort verbarrikadiert hatten.
Das 1865 erschienene Buch "Die Erstürmung von Regensburg" von Julius Wackenreiter beschreibt sehr ausführlich und spannend die einzelnen Vorgänge bei der Schlacht in Regensburg, bei der Napoleon gegen die Österreicher kämpfte. Stunde für Stunde wird das Geschehen an allen Orten geschildert. Das Buch enthält auch zwei Grafiken, die bei Historikern bekannt sind. Es gibt noch einen "Nachtrag zur Erstürmung".
Ab de Zeitpunkt, als abends das Peterstor überwunden wurde (eigentlich von innen, denn die Franzosen, die im Osten die Mauern überwanden schlichen sich zum Peterstor, um es zu öffnen), gibt es eine noch genauere Schilderung des Geschehens aus Sicht des Paters und späteren Bischofs Wittmann, Nachricht vom Brande des erzbischöflichen Seminars in Regensburg.
Letzteren Text hatte ich für einen früheren Artikel in Volltext umgewandelt, für alle, die sich mit der altdeutschen Sprache schwertun: http://www.regensburger-tagebuch.de/2013/09/obermunsterviertel-historisch-teil-6.html. Im Folgenden drucke ich ihn erneut ab.
http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8413540h |
Die Schlacht bei Regensburg war der Abschluss einer Reihe von Schlachten zwischen dem 19.4. und dem 23.4.1809, die man insgesamt als "Schlacht bei Regensburg" bezeichnet (siehe Wikipedia)
Da es sich bei den Kämpfen zwischen Landshut und Regensburg nicht um eine einzelne, bewusst herbeigeführte Schlacht handelt, sondern zunächst nur um eine unvermutete Begegnung zweier großer, in unterschiedlichen Richtungen marschierender Heere, kam es in der Folge zu zahlreichen einzelnen Gefechte, die sich an unterschiedlichen Orten teilweise gleichzeitig abspielten und deshalb von den jeweiligen Oberfeldherrn nur sehr bedingt gesteuert werden konnten
Position der beiden Armeen am 21. April
19. April - Schlacht bei Hausen
20. April - Abensberg
21. April - Landhut
22. April - Eggmühl
23. April - Regensburg
Zurück zum Geschehen. Während ich diesen zweiten Teil schreibe, ist es knapp 19.00 Uhr, dem Zeitpunkt, als bei der Von-der-Thann-Straße die Mauer zusammenstürzte, und die Franzosen in die Stadt dringen konnten. Einige schlichen sich die Mauer entlang zum Peterstor, um dort die Tore zu öffnen. Dieser Turm stand bereits in Flammen.
Die noch verbliebene österreichische Besatzung von rund 2000 Mann, die sich auf den Wällen verteilte, war durch die Überwindung der Mauern vom Rückzug über die Brücke abgeschnitten und musste sich ergeben. Anschließend versuchten die nachdrängenden Franzosen über die Steinerne Brücke die Donau zu überqueren, um zu verhindern, dass sich die österreichische Armee am Nordufer des Stroms wieder festsetzen konnte.
Sie stürmten fast gleichzeitig mit den noch durch die Stadt fliehenden österreichischen Soldaten über die Steinerne Brücke und in die Straßen von Stadt am Hof, wo es vor allem entlang der Hauptstraße zu einem heftigen Kampf mit der österreichischen Nachhut kam.
In Stadtamhof angekommen, positionierten sich die Franzosen und schossen auf den Dreifaltigkeitsberg, wo sich umgekehrt die Österreicher gesammelt hatten und mit Kanonen auf Stadt am Hof schossen. Die entscheidende Stelle ist nicht die Dreifaltigkeitskirche, sondern weiter westlich, beim "Österreicher Weg", unmittelbar neben dem Schelmengraben.
Dabei gerieten in der Nähe der Donaubrücke einige Häuser in Brand, die nach einiger Zeit wiederum mehrere stehengebliebene Pulverwagen entzündeten. Durch einen starken Wind angefacht, standen in kurzer Zeit zahlreiche Häuser zu beiden Seiten der Hauptstraße in Flammen und vernichteten bis Mitternacht 95 Wohnhäuser und eine Brauerei
Details aus dem Bild von Pigeot
Südlich des Flusses, in Regensburg, aber hatte am Abend die französische Führung die Stadt den Soldaten „zur Plünderung freigegeben“, da sie „im Sturm“ erobert worden war, obwohl sie doch einem Verbündeten Napoleons gehörte. Dabei behinderten die plündernden Soldaten nicht nur die Löscharbeiten, sondern legten anscheinend noch weitere Brände und entrissen den Menschen ihre letzte Habe, die sich gerade eben vor den Flammen gerettet hatten. Die Hölle war für die Regensburger mit diesem Tag noch nicht vorbei, sondern ging die ganze Nacht hindurch bis in den nächsten Tag, solange man noch Brände bekämpfen, Verwundete versorgen und sich gegen marodierende Soldaten wehren musste.
Hier das Buch
Die Erstürmung von Regensburg am 23. April 1809: Mit zwei Plänen (Google eBook)
Julius Wackenreiter
1865 - 218 Seiten
http://books.google.de/books/about/Die_Erst%C3%BCrmung_von_Regensburg_am_23_Apr.html?id=haFBAAAAcAAJ&redir_esc=y
In diesem Kapitel drucke ich Bischof Wittmanns Schilderungen im Volltext ab.
Damit man seine Beschreibungen besser versteht, eine Vorbemerkung: Der Block, in dem sich das heutige Parkhaus am Petersweg befindet, war komplett in kirchlicher Hand; im östlichen Teil, ab Fröhliche Türkenstraße, befand sich das Stift "Mittelmünster", im Text auch St. Paul genannt, und das im fraglichen Zeitpunkt als Priesterseminar (Priesterausbildung) diente. Dieser östliche Teil wurde 1809 zerstört und lag 2 Jahre lang in Schutt und Asche. Im westlichen Teil, zum Emmeransplatz hin, befand sich die Klosteranlage "Stift Obermünster", das erst 1945 zerbombt wurde. Wittmann arbeitete und lebte im Mittelmünster, also Kloster St. Paul.
Linke Hälfte: Mittelmünster (Jesuitenkolleg St. Paul , rechte Hälfte: Obermünster |
Bischof Wittmann's Schilderung der Erstürmung Regensburg durch Napoleon 1809 im Volltext (die roten Anmerkungen sind von mir):
Ich will hier umständlich erzählen, wie wenig die Franzosen bei ihrem Eindringen in die Stadt bemerkt wurden. Eine halbe Stunde vorher nach 3 Uhr wurde durch eine Haubitze die Scheune des Frauenklosters zu Sankt Klara angezündet, zunächst an dem Orte, wo Bresche geschossen wurde.
Als ich von meinem Zimmer aus den Brand sah. so eilte ich dahin, um zu sehen, was zu retten sei. Das Kloster selbst war dießmal ohne Gefahr, aber die unter dem Kloster gelegenen Klostergebäude, waren wegen des dahin wehenden Windes nicht mehr zu retten, sie mußten den Flammen überlassen werden. Allein das an der Gred gelegene Domkapitel'sche Haus Lit. G. Nr. 18 [= Buchstabe G Nr. 18, also einfach G 18] wäre wegen der Entfernung leicht zu retten gewesen.
Es kam eine Feuerspritze, vom Rathhause von zwei Polizeidienern herbeigezogen; sonst aber kam Niemand zu Hülfe, auch nicht einmal die Bewohner der nächsten Häuser. Viele Leute waren in den Kellern, viele waren in die Mitte der Stadt geflüchtet. Die Polizeidiener und ich stellten die Spritze an einen sehr bequemen Ort, und hofften etwas leisten zu können, wenn nur noch etliche Mithelfer gekommen wären.
Da fielen etliche Kanonenkugeln in der Nähe. Eine Kugel warf vom nächsten Haus einige Trümmer Mauer herunter, die Polizeidiener gingen also wieder ab, um Rapport zu geben. Ich verweilte noch ein wenig, und zeigte zwei Bewohnern des Hauses Nro. 18, wie leicht die Rettung ihres Hauses wäre und daß ohne die Rettung ihres Hauses das ganze Quadrat der Gred abbrennen könne, welches auch wirklich geschah; allein sie fingen an, Geräthschaften auszuschleppen, und verzweifelten, etwas leisten zu können.
Hier waren die Franzosen schon zunächst an der brennenden Stelle in der Stadt herunter gestiegen, und es geschah nicht ein einziger Schuß. Weil ich alles sicher zu sein glaubte, wollte ich nicht geraden Weges, sondern durch die Drei-Kronenstraße nach Hause gehen, wo ich durch die Höhe der Häuser vor den Kanonenkugeln gedeckt wäre. Ich ging aufwärts dieser Straße zu. Vor mir ging ein östreichischer betrunkener Soldat (viele Soldaten bekamen keinen Bissen zu essen, und so wurden sie von einem mäßigen Trunk Bier schon betäubt), dieser stammelte etwas daher, auf das ich nicht merkte, ich sah auch nicht einmal vorwärts, sondern ging traurig die Gasse hinauf.
Es war aber oben in der Kronenstraße ein einziger französischer Soldat, der auf den betrunkenen Oestreicher, neben dem ich eben vorbei gehen wollte, schoß; und als der zu Boden fiel, sah ich zwar einen grünen Mann oben an der Straße, konnte aber kaum glauben, daß es ein Franzose wäre. Ich merkte nun die Unsicherheit dieses Weges, und kehrte um, damit ich den nächsten Weg nach Hause eilen könnte.
Nun kamen etliche zehn östreichische Soldaten und fragten mich: Wo sind sie? Sie hatten diesen ersten Schuß in der Stadt gehört, und ihren Kameraden fallen gesehen, und hatten nicht gewußt, daß schon Franzosen in der Stadt seien. Ich antwortete, daß ich nur einen grünen Mann gesehen hätte, und eilte die Stadt hinunter, um nicht von den nachkommenden Flintenkugeln getroffen zu werden.
In meinem Heimgehen fielen etliche Kanonenkugeln an die nächsten Häuser; ich kam aber unbeschädigt zu Hause.
Das Feuer ergriff bald das Haus Lit G. Nro. 18. und durch dieses wurde das ganze Quadrat von der Gred mit Ausnahme zweier Häuser verzehrt.
In der nämlichen Zeit, als die Franzosen durch die Bresche in die Stadt drangen, wurde auch das Hinterhaus beim Weih-Peterthor durch eine Haubitze angezündet, und durch dieses wurde die ganze Reihe Häuser an der silbernen Gans verzehrt. Während dem es an dieser Reihe zu brennen ansing, forcirten die Franzosen das Weih-Peterthor, und drangen im Sturme Kompagnie nach Kompagnie, und Regiment nach Regiment in die Stadt.
Nun war in allen Straßen, zwischen dem Weih-Peterthor und der Brücke ein blutiger Kampf. Eine Menge todter Sodaten lagen in ihrem Blute auf allen Gassen. Nach einer halben Stunde versuchten Herr Subregens Ring [Sub-Regens = stellvertretender Leiter eines Priesterseminars und somit Stellvertreter des Autors, M. Wittmann] und ich an der silbernen Gans hinunter zu gehen, und die noch immer hereineilenden Franzosen ließen uns freundlich durch ihre Reihen durch. Ueberhaupt behandelten sie die in ihrer Kleidung distinguirten Geistlichen freundlich. Manchmal sagten sie: Voila un cure francois. Sie hatten vermuthlich in Deutschland schon lange keinen Pfarrer in Talarkleidung gesehen. (Diese Kleidung trug er auch bis an sein Ende, nur wenn er im höheren Dome im Chore erschien, oder pontifizirte ausgenommen. Seine spätere bischöfliche Würde machte er nur durch das goldene Kreuz an der goldenen Kette kaum bemerkbar.)
Es brannte damals das Haus Lit. G. Nro. 148. Die linke Reihe der Häuser G. 106. bis G. 126. war noch unbeschädigt. Niemand löschte, und war auch keine Hoffnung , die Häuser Nro. 149. 150. retten zu können. Ich rief daher den Leuten im Muschwerkischen Bauhofe Nro. 151. zu, sie möchten sich mit Wasser versehen, ihr Haus wäre sicher zu retten, ich wäre nun im Begriffe, aufs Rathhaus zu gehen, Hülfe zu verlangen [Muschwerk = Familienname].
Es waren nur drei Dienstboten bei Muschwerk zu Hause und diese retteten wirklich das Wohnhaus, die Scheuer [Scheuer = Scheune] aber wurde vom Feuer ergriffen, und steckte auch die übrigen Häuser dieses Quadrates an. Ich eilte dem Rathhause zu, um Hülfe zu schaffen, allein in der Wasserstraße hießen mich die heraufsteigenden Franzosen umkehren. Ich wollte in der Bachgasse versuchen hinunter zu gehen, aber auch da hießen mich einige bei der Augustinerkirche postirte Franzosen umkehren [Augustinerkirche = Eckhaus Bachgasse/Gesandtenstraße und existiert heute nicht mehr].
Ich ging also zu Hause, und hatte mich kaum in meinem Zimmer gesetzt (über Leichen und Menschenblut zu gehen, war für mich ermüdend), kam Herr Subregens, und sagte, der Bauhof zu Sankt Niklas stehe in vollen Flammen. Es war eine Haubitze in die Scheuer gefallen, und das Stroh machte ein schnelles gewaltiges Feuer. In wenigen Minuten fing es auch schon am Färberhaus, jenseits der Türkenstraße, zu brennen an, denn das Feuer von drei Scheuern war schrecklich, und der Wind trieb es bis über die Gasse an die entgegengesetzte Reihe der Häuser.
Es nahte sich also da« Feuer von zwei Seiten, von der östlichen und nördlichen , dem Stifte Sankt Paul [= Mittelmünster, 1809 zerstört, Block zwischen Petersweg und Parkhaus], worin das Seminarium beherbergt war. Das östlich brennende Feuer würde wegen Breite der dazwischen laufenden Straße bei einer geringen Löschanstalt unschädlich geblieben sein, aber das nördlich vom Färberhaus und von dem 4 Stock beim Engelgasthofe hochaufbrennende Feuer würde auch bei zahlreicher Hülfe wegen Enge der Straße und Stärke des Windes von dem Bräuhause Sankt Paul nicht abzuwenden gewesen sein.
Allein noch brannte das Bräuhaus von Sankt Paul nicht, und es war schon Feuer in der obersten Kuppel des mit Kupfer gedeckten Thurmes von Sankt Paul. Ob eine eigene in die Kuppel gefallene Haubitze, oder ein durch die Gewalt des Windes dahin getriebener Funke hier angezündet habe, weiß man nicht. Es muß auf der südlichen Seite unter dem Kupfer zuerst gebrannt haben, weil die Kuppel sich auf diese Seite zuerst neigte, und auf einmal ganz auf die Kirche herunterstürzte, Dach und Decke der Kirche durchschlug, und vorne zunächst bei Presbyterium niederfiel.
Die Kirche war nicht gewölbt, aber auch ein Gewölbe würde so einen Schlag nicht aus gehalten haben. Das an der Spitze der Kuppel hängende kleine Sankt Wolfgangsglöckchen, welches der hl. Wolfgang noch geweihet, stürzte auch mit herunter und blieb unbeschädigt.
Die in meinen Händen gewesenen wenigen Gelder vom Seminarium, von der Bibelausgabe, von der Pfarrei und von einer neuen Friedhofskapelle hatte ich schon am 19. April vorher über einem festen Gewölbe unter einen Pflasterstein gelegt. Am 25. April darauf ließ ich den hohen glühenden Schutt davon wegräumen, und erhielt alles unversehrt.
Die 21 Tauf- und Pfarrbücher hatten wir vier Pfarrgeistliche auch schon am 19. April in die Pfarrkirche getragen, und dort in einem doppelten Gewölbe mit Wegräumung aller brennbaren Sachen niedergelegt und ringsumher mit Ziegelsteinen bedeckt. Hätten wir sie nicht schon an diesem Tage in Sicherheit gebracht, so wären sie (ein Schatz Millionen werth) verloren gewesen: denn am 23. April wäre keine zuverlässige Anstalt mehr zu machen gewesen.
Ich hatte am 21. April die drei jüngsten Pfarrbücher zum weitern Einschreiben in mein Zimmer zurückgetragen; als ich am 23. April, Morgens um 8 Uhr, von der Pfarrkirche aus die Kavallerie durchziehen sah, eilte ich nach Hause, um selbe zu holen, konnte aber nirgends durch die gedrängten Reihen der Kavallerie kommen.
Ich ging in 3 Straßen, um irgendwo durchzukommen, konnte aber nirgends eine Lücke sinden, bis endlich im Gedränge ein Stillstehen entstand, wo dann ein verwundeter Soldat seine verwundete Hand den Kavalleristen zeigte und durch die Reihe zu gehen verlangte: Diesem öffneten sie die Reihe und ich kam hinter demselben mit durch. Ich konnte aber diese drei Bücher nicht in die Kirche zurückbringen, bis das Weih-Peter-Thor geschlossen wurde. Hierauf mußten wir eilen, ein Mittagessen zu nehmen, um nicht etwa den ganzen Tag nüchtern bleiben zu müssen. Nüchtern sein taugt in Schrecken und Verwirrung nichts.
Schon vor 10 Uhr setzten wir uns zum Mittagessen. Da kamen aber einige Kugeln an den Weih-Peter-Thurm, den wir vom Tische aus sahen, auch sahen wir im Garten den Rauch von einer zersprungenen Haubitze aufsteigen. Nun standen die Meisten vom Tische auf, ohne denselben Tag mehr etwas zu sich zu nehmen, nur drei ließen sich bereden, etwas zu essen, was bereitet war. Jeder suchte einen sicheren Platz vor den fallenden Kugeln.
Wir vier Pfarrgeistlichen eilten nach dem Essen der Pfarrkirche zu, worin wir schon eine Menge Leute fanden, die da ihre Sicherheit suchten. Wären hier die Pfarrbücher nicht schon in Sicherheit gewesen, so würden sie nicht mehr, wenigstens nicht mehr alle 21, gerettet worden sein: denn als das Feuer nahe kam, schleppte man zwar an verschiedene Orte allerhand Sachen; man wußte aber nirgends zuverlässige Sicherheit, und oft vergaß man die wichtigsten Dinge und trug für Kleinigkeiten Sorge. Ja auch in viele Keller drang das Feuer ein, und verzehrte die Sachen, die man in Sicherheit gebracht glaubte.
Das Kellerchen, wohin die Siminariumssachen [vielleicht ein Schreibfehler im Originaldruck, dürfte Seminariumssachen gemeint sein] geschleppt wurden, blieb zwar vom Feuer verschont: aber es drangen während dem Brande Soldaten in selbes und entwendeten einige Sachen, z. B, ein dem Priester-Alumnus Herrn Michael Hiltel gehöriges Köfferchen, welches sie, weil es besonders schwer war, nahmen und bis in den weißen Hahn trugen, wo sie es öffneten, aber nichts als Bücher und ein wenig Wäsche fanden. Herr Hiltel erhielt sein Köfferchen und einige Bücher wieder zurück.
Das Schlimmste beim Brande war, daß herumschwärmende Soldaten in die Häuser drangen, und von Geld, Leinenzeug und Kleidungsstücken nahmen, was sie brauchen und nicht brauchen konnten; denn Vieles verkauften sie wieder. War man auch so glücklich, einen Offizier zu finden, der sie verjagte; so kamen gleich wieder andere, oder es kamen die nämlichen wieder, und machten es noch ärger.
Häuser, worin sich Offiziere einlogirten, und Häuser mit ganz besonders festen Hausthüren, die nicht eingesprengt oder eingehauen werden konnten, kamen am glücklichsten durch. Auch auf der Gasse wurden manche Leute ausgeplündert, und was sie im Schrecken dem Feuer entreißen wollten, mußten sie auf der Gasse an plündernde Soldaten hingeben.
Manche aus den brennenden Häusern entlaufene Leute irrten die halbe Nacht herum, bis sie in ein verschlossenes Haus eingelassen wurden, weil sich die Leute die Hausthüren nicht zu öffnen getrauten, damit nicht etwa mit den flüchtenden Elenden auch plündernde Soldaten eindringen möchten.
Hier bei Sanct Paul wurde dem Feuer Einhalt gethan; auf der südlichen Seite der Gasse durch den großen Zwischenraum, der zwischen Sanct Paul und den Obermünster Gebäuden ist; auf der nördlichen Seite der Gasse durch die Thätigkeit des Kaufmanns Drexel, der sich durch Geld, Bier und Brod Soldaten gewann, die sein Haus retten halfen; sonst wäre noch eine große Strecke der Stadt abgebrannt.
Weil ich diesen Hauptbrand, der sich von Sanct Klara bis Sanct Paul erstreckte, nun beschrieben habe, muß ich auch melden, daß noch an zwei andern Gegenden der Stadt ein bedeutender Brand entstanden ist. Zunächst am Ostenthore zündete eine Haubitze die Wachsbleiche des Herrn Kränner an. Diese aus sieben Gebäuden bestehende Bleicht ist nicht nur allein wegen der Güte der Kränner'schen Wachskerzen. die ehemals in großer Quantität nach Wien versendet wurden, sondern auch wegen der schönen hier vorhanden gewesenen Gemälde-Sammlung berühmt.
Sie brannte, in so weit sie jenseits des Starzenbaches liegt, ganz ab, und das Feuer verzehrte noch zwei andere nahe gelegene Häuser, bis an den Pfründhof. Dieser ist die wohlthätige Wohnung ansteckender und unheilbarer Kranken.
Eine, darin befindliche 87jährige blinde Jungfer Theresia Königin, ehemals Kirchenlehrerin in der Minoritenkirche, die mit frommer Einfalt behauptet, die öffentlichen Angelegenheiten würden nun nicht mehr in Ordnung kommen, und das Ende der Welt nahe sich, diese sagte einige Wochen vorher, da verlautete, die Franzosen zögen wieder in Baiern ein und nahten sich Regensburg: Möchten sie uns etwa zusammenschießen oder anzünden! Dieser Pfründhof blieb verschont. Zwei Kanonenkugeln durchlöcherten die Mauer, und eine Haubitze fiel an die obere steinerne Thürschwelle, die dadurch Schaden litt, aber durch die Tätigkeit des Krankenwärters und Beihülfe einiger epileptischer, übrigens aber starker Weibsleute, wurde dem Feuer Einhalt gethan; das zunächst angebaute Haus verbrannte und der Pfründhof wurde gerettet.
Auch bei Niedermünster entstand Abends 6 Uhr in einer mit Stroh gefüllten Scheuer ein wüthender Brand. Einige Leute haben vorher einen Soldaten hineinschießen gesehen.
Die Scheuer und drei Niedermünster'sche Häuser sammt dem Wirtshause zum goldenen Pflug verbrannten. Der Künstler Neuhauser, ein in Rom gebildeter vortrefflicher Bildhauer, erlitt dabei an Werkzeugen und Arbeitsstücken großen Verlust.
Viel Glück war es, daß hier das Feuer nicht weiter um sich griff. Die nächst daran gelegenen Karmeliter arbeiteten rastlos die ganze Nacht, um ihr Kloster zu retten. Das nah am goldenen Pfluge gelegene große Haus des Kaufmanns Friedrich Hoffmann wurde von den Soldaten schon für verloren gehalten; sie drangen in selbes ein, und plünderten, so viel sie konnten, indem doch alles, wie sie sagten, verloren wäre: allein die Thätigkeit des Herrn Hoffmann, und eine kleine entstandene Wendung des Windes retteten das Haus, durch dessen Brand unvermeidlich noch eine große Strecke der Stadt würde verloren gewesen sein.
Wer den Schrecken dieser Nacht nicht gesehen hat, kann sich ihn nicht vorstellen. Ein weit ausgedehntes, die ganze Nacht hindurch bis in den hellen folgenden Tag fortbrennendes Feuer, wodurch 150 Häuser zu Regensburg, 95 Wohngebäude zu Stadtamhof verbrannten, in allen Straßen herumschwärmende Soldaten, die den fliehenden und herumirrenden Leuten nahmen, was dieselben den Flammen entreißen wollten, dort und da in den Häusern Jammergeschrei vor der Gewalt plündernder Soldaten; auf allen Hauptgassen eine Menge todter oder noch wirklich in ihrem Blute sterbender Soldaten; dabei in den meisten Häusern seit dem vergangenen Morgen kein Brod und keine Nahrung, auch keine Ruhe, das war eine schreckliche Nacht.
Unterdessen muß ich doch in Mitte der unregelmäßigsten Gewaltsamkeiten eine wunderbar waltende Fürsicht preisen. In einem Hause, in der Bachgasse, worin lauter Weibspersonen und nur ein einziger alter pensionirter Hofmusikus wohnten, wurde während des fürchterlichen Gelärmes auf der Straße und in allen benachbarten Häusern nichts als gebetet: alle Häuser derselben Gegend wurden geplündert, mit Ausnahme eines Kaufmannhauses, worin sich ein Offizier einlogirt hatte; dieses Haus allein blieb ganz verschont.
In einem andern Hause betete ein Vater mit seiner Tochter unablässig, während die Soldaten im Hause plünderten: es wurden die Zimmer neben diesen Betenden links und rechte geplündert, und an ihre Zimmerthüre kamen die Soldaten gar nicht.
Ein ehrwürdiger 86 jähriger Greis, ein Priester und Chorherr, der all seine Habe an Arme, Kirchen und Schulen verschenkt, blieb ruhig in seinem Hause, und konnte während der Beschießung der Stadt kaum beredet werden, sein Wohnzimmer zu verlassen und in ein unteres Zimmer zu sitzen: Die Soldaten drangen im Sturm in sein Haus (da nämlich eine Magd die Hausthüre geöffnet hatte, um zu sehen, wie weit das nahe brennende Feuer schon um sich gegriffen habe); sie getrauten sich aber dem ehrwürdigen Greise nicht mehr als sechs 24-Kreuzerstücke abzunehmen! sie tranken eine einzige Bouteille Wein und ließen sich wieder zur Hausthüre hinausführen. —
Zu einer armen Wittwe mit vier Kindern, nahe an der hölzernen Brücke, wodurch die Stadt mit dem untern Wörth verbunden wird, kamen in dieser Nacht 13 plündernde Haufen, denn das Hausthor war eingehauen und konnte nicht wieder vermacht werden; alle Bewohner des Hauses litten Plünderung und dieser Wittwe allein wurde kein Schaden zugefügt. —
Selbst mit dem Brande ging es hie und da auf eine sonderbare Weise. Ein frommer Geistlicher sah, wie sein Haus unrettbar verloren wäre, indem das östlich daran stoßende Haus in vollen Flammen stand, und das durch ein westliches Fenster herausschlagende Feuer bereits ein zu seinem Hause gehöriges Schindeldach ergriff. Plötzlich entstand ein Windstoß, der westlich herkam und das aus dem Fenster herausschlagende Feuer einwärts trieb: und so blieb seine Wohnung gerettet. Ob nun eben zur rechten Zeit im andern Hause etwas einstürzte, wodurch das Feuer von innen Raum genug erhielt, und nicht mehr herausgetrieben wurde, oder ob bei dem anfangs östlichen und nachher nordöstlichen Winde in jener Gegend ein westlicher Windstoß entstand, kann ich nicht entscheiden. —
In einem andern Hause, Lit. G. Nro. 113, hatten die zahlreichen Bewohner des großen dreistöckigen Hauses eine 86jährige, blinde Person, Kunigunda Dirmerin, den Flammen überlassen. Sie lag zu ebener Erde in einer Kammer und brachte seit langer Zeit ihre Lebenslage vor Altersschwäche im Bette, bei der elendesten Nahrung, mit Weinen und Beten zu.
Da sie nun ganz allein in ihrem Bette lag und ihr Haus und alle Häuser ringsherum brannten, sie aber in ihrer Blindheit kein Licht und keine Flamme sah, hielt sie das Prasseln des Feuers für einen starken Platzregen. Als aber die oberen Zimmerdecken anfingen, auf ihre Zimmerdecke herunter zu stürzen, kroch sie aus ihrer Kammer in die Wohnstube und versteckte sich unter den Ofen. Aber auch hier hörte sie das nämliche Poltern auf der Zimmerdecke, und sie entschloß sich, wieder in ihr Bett zu gehen, und empfahl sich ihrem Herrn allein, weil kein einziger Mensch da war und sich auch keiner hören ließ.
Am frühen Morgen kam der Taglöhner, bei dem sie auf dem Zimmer war, und sah das ganze Haus verbrannt mit den nackten Mauern dastehen. Er glaubte die Kunigunda im Schutte finden zu müssen: nahte sich durch zwei Gewölber seiner Zimmerthüre und fand sie ganz, machte sie auf und fand sein Zimmer unversehrt; öffnete auch die Kammerthüre und fand die Kunigunda im Gebete, und diese fragte ihn, was es denn heute Nacht mit dem starken Regen und mit dem Gepolter gewesen wäre. Der Mann schaffte nun eilig die Kunigunda fort und nahm seine noch übrigen Geräthschaften, dann stürzten auch diese beiden Zimmerdecken herunter.
Im Hause Lit. E Nro. 88 stand die Buchdruckerpresse, die zur deutschen Ausgabe des neuen Testamentes mit stehenbleibenden Lettern gehört; zunächst an den Fenstern lag aufgehäuftes Papier, in einer Kiste, nahe an der Thüre, lagen bei fünf Zentner Lettern. Dieses, drei Block hohe Haus verbrannte ganz bis auf dieses Zimmer, welches zwar gewölbt ist, aber das Gewölbe ist auf der östlichen Seite schon beschädigt; man muß sich sehr wundern, daß der brennende Schutt von zwei obern Stockwerken und noch dazu von Zimmern unter dem Dache durch Schwere und Hitze das Gewölbe nicht niedergedrückt hat.
Keines von den hölzernen Fenstergerichten dieses Zimmers fing von außen Feuer; von innen verbrannten zwar die Zimmerthüren und die hölzernen Thürpfosten, ja es fiel ein brennender Thürpfosten auf den mit Bettern belegten Zimmerboden hinein und zündete die Bretter und den unterliegenden Balken an: allein als das Feuer bis an die Kiste mit den etlich fünf Zentnern Lettern kam, löschte es von selbst aus.
Auf der entgegengesetzten Seite war auch ein Zimmer mit gewölbter Decke; aber das Gewölbe stürzte zur Hälfte ein und die Balken des Zimnmbüdens brannten durch die ganze Länge des Zimmers aus.
Da ich diese sonderbaren Anordnungen göttlicher Fürsicht melde, sei es ferne von mir, als wollte ich glauben, alle durch Brand oder Plünderung Beschädigten hätten solches wegen ihrer Sünden vorzüglich verdient. Die Klosterfrauen von Sanct Klara hatten eine vortreffliche Kloster-Disziplin. Ihre Äbtissin Aloysia hat Liebe und Ehrfurcht vor ihrem ganzen Konvente. Sie lehrten in ihrem Kloster 200 Schulmädchen in vier Klassen und hielten weibliche Feiertagsschule. Sie unterrichteten ihre Schülerinnen so auszeichnend in Sittsamkeit, Gebet und allen Gegenständen des weiblichen Wissens, wie auch im Nähen und Stricken, daß sich in den öffentlichen Schulprüfungen Jedermann freute und erbaute.
Die klösterliche Klause wurde dabei strenge gehalten, und es kam nie, auch nicht aus erzbischöflicher Dispensation, eine Manns- oder Weibsperson über die Klosterschwelle. Sie standen um Mitternacht auf, um in ihrer Kirche mit einander zu singen und zu beten; unter neun in Regensburg noch existirenden Klöstern war dieses das einzige, das den mitternächtlichen Lobgesang beibehalten hatte. An der Klosterpforte wurde täglich eine große Anzahl Armer gespeist, und arme Schulmädchen erhielten ihre Schulbücher und Schulgeräthschaften, auch viele Kleidungsstücke umsonst. —
Die ganze abgebrannte Gegend war eine der sittlichern in der Stadt, worin kaum ein Haus zu finden war, in welchem es feile [ja, es heißt wirklich feile mit f] Dirnen gab, deren es doch hier viele gibt: vielmehr kenne ich mehrere in der Frömmigkeit ausgezeichnete Familien und einzelne Personen, welche in dieser Gegend wohnten und ihre Habschaften durch das Feuer verloren. —
In der Kirche und in den lateinischen Schulen von Sankt Paul geschah vorzüglich viel Gutes: die Studenten wurden mit vieler Wachsamkeit zu einem frommen und fleißigen Lebenswandel angehalten, und in der Kirche gab es sowohl täglich als besonders bei feierlichen Andachtsübungen eine Menge frommer Seelen, welche beteten und die hl, Sakramente empfingen. —
Ein frommer französischer Geistlicher Lainé wohnte in der Nähe von Sanct Paul und verlor auch seine Sachen durch den Brand. Er war Pfarrer in Frankreich und kam als deportirter Geistlicher nach Regensburg; da gewöhnte er sich an ein so armes Leben, daß er selten was Warmes genoß, und vom frühen Morgen an bis Abends 9 Uhr Sommer und Winter in und außer der Sankt Kassian-Kirche betet, und dieses unverändert an einem Tage wie am andern das ganze Jahr hindurch fortsetzt. Anfangs wollte man ihn über seiner Lebensart eines Wahnsinnes beschuldigen, besonders weil er mit Niemanden, außer mit zwei Personen, zu sprechen pflegte, auch von Niemanden als von diesen zweien etwas zu seinem dürftigen Unterhalt annahm; allein es erscheint in seinem stets gleichförmigen frommen Lebenswandel nichts Wahnsinniges, Auch an diesem Schreckenstage, wo die Sankt Kassiankirche wie alle anderen Kirchen gesperrt blieben, verharrte er an der Kirchenthüre im Gebete.
Als ich bei ihm vorüber ging und mit einem Kelche unter dem Arme meiner Pfarrkirche während des Brandes zueilte, erinnerte ich ihn, daß seine Wohnung unvermeidlich verbrennen würde, er möchte retten, was er retten könnte: ich konnte ihn aber kaum bewegen, zu Hause zu gehen! er rettete auch aus Mangel an Beihülfe fast gar nichts von seinen Sachen.
Den Brand in Stadtamhof betrifft zwar das Seminarium [Priesterseminar im Mittelmünster, Obermünsterviertel] nicht unmittelbar: jedoch kann ich ihn nicht mit Stillschweigen übergehen, denn er war mit jenem in Regensburg in Verbindung [Stadtamhof war bis ins 20. Jahrhundert hinein eine eigene Stadt], geschah zu gleicher Zeit und war eben so wüthend. Auch gehört Stadtamhof zu der mit dem Seminarium verbundenen Dompfarre, und die Seminaristen haben in den Schulen und in der Kirche zu Stadtamhof viele katechetische und andere Verrichtungen.
Die retirirenden [retirieren = militärisch-veraltet für fliehen oder sich eilig zurückziehen] Oesterreicher besetzten an dem nördlichen Ufer der Donau den Dreifaltigkeitsberg, um ihren Rückzug über die steinerne Brücke zu Regensburg und über die Regenbrücke nächst Stadtamhof zu decken.
Die siegenden Franzosen überwältigten allen Widerstand in Regensburg und drangen über aufgehäufte Leichen bis an die steinerne Brücke, welche die Oesterreicher sehr tapfer vertheidigten. Allein es war aller Widerstand vergebens; die Franzosen drangen über die Brücke in Stadtamhof ein und es lag ihnen nur noch ob, den Dreieinigkeitsberg zu erstürmen, um die österreichische Armee in Unordnung zu bringen.
Da beschlossen die Oesterreicher, die Hauptstraße von Stadtamhof, durch welche allein Kanonen und Pulverwägen passiren können, auf beiden Seiten anzuzünden. Zuerst wurde das Haus des Bierbrauers Jordan und durch selbes die östliche Reihe der Häuser, hernach das Haus des Kaufmanns Schwab und durch selbes die westliche Reihe der Häuser angezündet.
Die Leute hatten sich anfangs wegen der Gewaltthätigkeiten der Soldaten, hernach aber, als die Franzosen bis Stadtamhof vorgedrungen waren, wegen der Menge der Kanonen- und Flintenkugeln, in die Keller versteckt; manche Häuser waren gar von allen Einwohnern verlassen. An eine Löschanstalt war im ersten Getümmel nicht zu denken. Der starke nordöstliche Wind verbreitete das Feuer schnell über die beiden Reihen der Gasse und manche Häuser brannten schon, ehe es die in den Kellern versteckten Einwohner nur wußten. Darum verloren die meisten ihre sämmtlichen Habschaften. Ein Brodverkäufer [Brotverkäufer], Georg Schemp, hatte den Muth, in seinem Brodgewölbe zu bleiben: es brannte an der Vorderseite seine Thüre und an der Rückseite ein Fenster seines Gewölbes; er war aber mit ein wenig Wasser versehen und konnte das Feuer löschen. Dieser sah in seinem Brodgewölbe das Feuer aus manchen Häusern zwei bis drei Ellen weit auf die Gasse herausschlagen, und obwohl die Straße über sechzig Fuß breit ist, so hielt er doch für gewiß, daß, wenn er sein Gewölbe verlassen und durch die Gassen entfliehen wollte, er vor der Macht des Feuers auf der Gasse zusammensinken würde.
Es brannten bei 95 Wohngebäude, ohne die Bräustätten, Scheunen und Remisen, ab [Remise ist ein Wirtschaftsgebäude, das in der Regel an der rückwärtigen Grundstücksgrenze für Fahrzeuge oder Geräte errichtet wurde.]. Im Katharinenspital allein brannten 7 Wohngebäude und 2 Kirchen ab; die dritte wurde ein wenig beschädigt. Die Kaufleute Fabrizi, Neumann, Sausgruber, Weiß, die beiden Daisenberger, die schöne Schaup'sche Buchdruckerei; der Kürschner Mulzer, Apotheker Leonard, verloren ihre bedeutenden Warenlager.
Zehn Bräustätten wurden eingeäschert und fünf vermögliche Bäcker brannten ab. Der Kriegstumult war schon zu Ende, und es wäre eine Löschanstalt möglich gewesen, um von den erst nach Mitternacht ergriffenen Häusern einige zu retten. Herr Landrichter Freiherr von Sodei ging selbst in das Frauenkloster de Notre-Dame, wohin sich eine Menge Menschen geflüchtet hatte, um die Leute zum löschen zu bewegen: allein der Schrecken des Tages, der Mangel an Nahrung seit dem letztvergangenen Morgen, das unübersehbare Feuer in Regensburg und Stadtamhof hatte die Leute wie versteinert gemacht. Niemand wollte das Kloster [hier dürfte das Katharinenspital gemeint sein], als den geglaubten einzigen Ort ihrer Sicherheit, verlassen, um löschen zu helfen.
Der Lederer Alois Hartmann rettete an der östlichen Seite von Stadtamhof sein Haus, und der Tischler Kaspar Mayer, mit seinen sieben Tischlergesellen, rettete an der nämlichen Seite das schon brennende Haus des Kaufmann Sauer: so thaten diese beiden dem Feuer auf der östlichen Seite von Stadtamhof Einhalt. An der westlichen Seite kam der Schiffmeister Paul Laurner gerade zu rechter Zeit, um sein Haus zu retten. Er war mit seiner Familie am 23. April nach Pilehofen, zwei Stunden von Regensburg, geflüchtet und sein Haus stand leer.
Nach Mitternacht träumte ihm, er sehe das Marienbild, das er in seinem Hause verehrt und das er aus der ehemaligen Franziskanerkirche zu Stadtamhof an sich gebracht hatte, vor sich, und dieses sprach zu ihm: Paul! steh' auf! du kannst dein Haus noch retten. Er stund auf und eilte nach Stadtamhof, und fand an seinem Hause einen hölzernen rückwärts angehängten Gang brennen, das Dach aber und das Innere des Hauses noch unversehrt. Es war ihm leicht, diesen hölzernen Gang hinunter zu stürzen und die brennende Thüre davor, auch einen schon brennenden Fensterstock zu löschen; und so wurde auch an der westlichen Seite von Stadtamhof dem Feuer Einhalt gethan.
Ohne einzelne Unglücksfälle konnte so ein gemeinsames Unglück nicht abgehen. Ich setze nur etliche her. Ein 84jähriger Nagelschmied, Sebastian Fumi, war nicht zu bewegen, sein Haus zu verlassen; er allein blieb in seinem Hause und in seinem gewöhnlichen Wohnzimmer über der Werkstätte. Eine Kanonenkugel traf ihn am Halse und tödtete ihn.
Eine 87jährige Gürtlerswittwe, Katharina Moser, die seit zwei Jahren schon nicht mehr vom Bette aufstand, konnte im Tumulte nirgends untergebracht werden: ihr Haus wurde von Kanonenkugeln an vielen Stellen durchlöchert und verbrannte und noch liegen ihre Gebeine unter dem hohen Schutte.
Ein Mühlrichter. Georg Pradl, wollte aus seinem etwas abgelegen Hause über die Straße m ein Haus laufen, wo es mehrere Menschen gab; er wurde auf der Straße von einem österreichischen Kavalleristen niedergehauen und starb sogleich auf der Gasse. Ein Wagner, Josef Strobl, stand vor seiner Hausthüre und betheuerte vier österreichischen Soldaten, daß kein Bissen Brod in seinem Hause wäre: ein vorbeireitender Kavallerist schoß ihn mit einer Pistole in die Achsel; er lebt noch, kann aber den linken Arm nicht brauchen.
Eine Fischerknechtin, Elisabetha Zirngiblin, gebar in diesem Tumulte und mußte nach ihrem Gebären von einem Haus in das andere irren und erst fünf Tage darnach, am 28. April, konnte das Kind in einem zur Sankt Kassian-Pfarrei gehörigen Hause getauft werden.
Auch in Regensburg verbrannte ein 90jahriger Vater, sammt seinem Sohn, im nämlichen Zimmer: man fand von ihren Gebeinen nur mehr kleine Stückchen. Zunächst an diesen beiden, an der Gred, wurde eine Weibsperson halb verschüttet und mußte verbrennen. Im Militärspitale. das aus etlich 130 Kranken bestand und im Schulhause zu Sankt Paul untergebracht war, mochten wohl mehrere verbrannt sein, bisher hat man Einen davon gefunden.
Ich will aber wieder auf das Seminarium zurückkommen und dessen Geschichte bis jetzt hersetzen. Der ganze Schaden des Seminariums wurde auf 6786 fl. 16 kr. gerechnet. Am Gebäude selbst hat das Seminarium eigentlich keinen Schaden erlitten, weil das dem Seminarium eigene große Gebäude am Sankt Kassiansplatze unbeschädiget blieb; aber die Bibliothek und innere Hauseinrichtung für 44 Alumnen und 3 Hausdiener machen im geringsten Anschlage die Summe von 6786 fl. 16 kr. [fl = Gulden, wegen seiner Abstammung aus Florenz so abgekürzt, kr = Kreuzer]
Die Seminariumsbibliothek bestand aus ungefähr 4000 Bänden, meistens alten Büchern und Manuscripten, die zuerst aus der uralten, vor 600 Iahren schon hier bestandenen Domkapitel'schen Bibliothek gesammelt, hernach durch beträchtliche Legate von verschiedenen Privatbibliotheken, z. B. erst unlängst durch die schönen Büchersammlungen des Herrn Pfarrers Forster, von Oberhausen, vermehrt worden sind.
Dieser Verlust würde sich noch leichter verschmerzen lassen, als der Verlust, der sich von Seite der Wienerbank ergeben kann. Sollten die auf derselben angelegten Seminariumskapitalien zu mehr als 40,000 fl. auf eine Zeitlang gar nichts tragen, wie dermalen die Zahlungen eingestellt sind: so wird Gott das neue Seminarium durch neue Legate erhalten, sonst würde es nicht mehr bestehen können. [Legat = Vermächtnis im Sinne des Erbrechts]
In so einem traurigen Zeitpunkte thut Hülfe wohl."
Wittmann zählt alle Verluste so treu als möglich auf, nur seine eigenen verschwieg er; denn er rettete nichts als sein Brevier; alle seine Habe, seine zahlreiche Bibliothek, seine kostbaren Handschriften gingen verloren.
Wittmann wirkte im Mittelmünster, unmittelbar links hinter dem Peterstor, aus der Sicht der eindringenden Franzosen |
Hier das Bild "Vue du siège de la ville Ratisbonne par les troupes françaises et par l'armée alliée le 23 may 1809..."
Napoleon
kämpfte nicht allein, auch Marshall Lannes und Marshall Davoust kämpften
mit ihren Truppen. Nachdem Napoleon sich in der Nähe des
Peterskirchlein, etwa dort, wo heute die Hemaustraße beginnt, eine
Verwundung geholt hatte, wurde das Bombardement forciert, und auf den
Peterstor-Turm sowie ein Haus im Stadtosten konzentriert. Letzteres
führte zu einer Bresche, aber damit war der Übergang noch nicht
gesichert - es folgten noch dramatische Szenen, die Wackenreiter wie
folgt beschreibt
Die Mauerbresche im Stadtosten |
... bald lösten sich namhafte Theile des Mauerwerkes ab, stürzten in den Graben, Trümmer und Schutt legten sich an die Außenseite der Mauer und bildeten so einen ziemlich bequemen Aufgang, von der Sohle des Grabens auf den Wall und die Mauer.
Allein der Niedergang in den tiefen Graben an der steil gemauerten äußeren Grabenwand und unter dem heftigsten feindlichen Feuer, blieb immerhin noch äußerst schwierig.
Marschall Lannes begab sich nun zu den Bataillons, die hinter den nächsten Häusern und Mauern, zum Sturme bereit, versteckt lagen.
Von da bis zum Grabenrand, gegenüber der Bresche, betrug die Entfernung etwas über 200 Schritte und mußten die Sturmi colonnen diese Strecke völlig ungedeckt, über die Promenade zurücklegen.
'Freiwillige wurden vorgerufen.
Grenadiere vom 85. Regiment, brachen mit Leitern aus ihrem Verstecke und stürzten vor; allein sie wurden entweder schon auf dem Wege oder doch am Grabenrande von dem Kartätschen-*) und Flintenfeuer, der Besatzung des Walles und der nahe gelegenen Häuser, fast sämmtlich niedergestreckt.
Lannes forderte neue Freiwillige auf; sie eilten vor und hatten das nämliche Schicksal.
Bei einer dritten Aufforderung, zauderte die Mannschaft und wollte Niemand vorgehen; da sprang Lannes, mit der Brust voll Ordenszeichen vor, riß den Stern der Ehrenlegion ,von seiner Brust und zeigte ihn den Franzosen; es stürzten etwa Hundert herbei, unter denen sich viele Offiziere befanden; doch wollte es nicht gelingen auch nur eine Leiter auf den heißen Fleck zu bringen; denn sowie Einer an den Rand des Grabens trat, ward er weggeschossen.
Ein nochmaliger Aufruf blieb ohne Erfolg; auch die Tapfersten zagten; jetzt rief Lannes seinen Franzosen zu: „Jhr sollt sehen daß euer Marschall noch Grenadier ist!" und ergriff eine Leiter um sie selbst an Ort und Stelle zu tragen; seine Adjutanten, die Obersten Labsdoyöre und Marbot rissen ihm die Leiter aus den Händen; bei dem Anblick dieses edlen Wettkampfes drängten sich die Grenadiere in Massen vor, ergrissen die Leitern und durcheilten den Raum, das mörderische Feuer nicht achtend; die feindlichen Schüsse fielen mit größerer Hast und geringerer Sicherheit — in einem Augenblick wurden die Leitern angesetzt, der Graben zurückgelegt; Labödovere und Marbot an der Spitze der Sturmcolonnen, zeigten sich Hand in Hand, die Ersten auf der Bresche, und die Grenadiere folgten ihnen.
Bei diesem Anstürmen flohen die Oesterreicher; nur einige ungarische Grenadiere erwarteten die Franzosen, wurden aber von der Mauer herab in den Graben geworfen.
Das war der Durchbruch. die Franzosen konnten sich in den Wehrgängen an der Mauer entlang zum Peterstor durchschlagen und das Tor von innen her öffnen:
Ein Bataillon drang durch einen aufgefundenen gedeckten Gang, vom Wallbruch in die Stadt hinab.
Labödovere und Marbot eilten mit den Grenadieren des 85. Regiments, innerhalb der Mauer zum nahen Petersthor, wo eine Masse von Oesterreicher unter dem Gewölbe zusammengedrängt war. Erschrocken sich umgangen zu sehen und aufgefordert das Gewehr zu strecken, gehorchten die österreichischen Soldaten; die französischen Grenadiere arbeiteten sich durch ihre dichte Masse hindurch, beseitigten die Verrammlung, sprengten das Thor und eine bereitstehende zahlreiche Colonne, mit Marschall Lannes an der Spitze des 85. Regiments, drang in die Stadt ein, Alles vor sich niederwerfend, was einen Widerstand versuchte. Es war zwischen 6 und 7 Uhr Abends.
Einige Österreicher ergaben sich nun, andere flohen durch die Stadt und duellierten sich mit den Franzosen - was wegen der Pulverfässer gefährlich wurde:
Die Oesterreich« zogen sich fechtend von Gasse zu Gasse zurück; die Verwirrung und das Feuer griffen immer weiter um sich.
Die Jnfanterie Regimenter Zach und Zedtwitz konnten in ihrer getrennten Aufstellung längs der Umfassung nicht wahrnehmen, was an jedem einzelnen Theile derselben vorfiel, daher das Eindringen der Franzosen in die Stadt beinahe unbemerkt geschah; die schwache Besatzung sah sich zum größten Theile plötzlich umgangen und im Rücken gefaßt, weshalb auch jeder Widerstand von dem Augenblicke an, wo das Stadtthor geöffnet war, nutzlos erschien; nur weniger Mannschaft gelang es, noch rechtzeitig die Gefahr zu erkennen und sich über die Brücke nach Stadt am Hof zu retten, wo sie vom II. Armcecorps aufgenommen wurdet. allein der größte Theil der beiden Regimenter, in der Stärke von nicht über 2000 Mann, und der Kommandant G. M. Fölseis fielen, von der Armee abgeschnitten in Gefangenschaft.
Es war ungefähr 7 Uhr Abends als die Franzosen völlig Meister von Regensburg waren, wo nun alle Gräuel einer mit Sturm eroberten Stadt sich entfesselten. Marschall Lannes ließ die Wälle, die Thore und die öffentlichen Plätze besetzen.
Aber einzelne österreichische Abtheilungen, leisteten, auf einigen Punkten und selbst mitten im Brand, der rasch um sich griff, noch verzweifelte Gegenwehr. Jn einer der Hauptstraßen befand sich, zwischen brennenden Häusern, ein österreichischer Munitionspark; Marschall Lannes kam an der Spitze einer Colonne angerückt, als ein österreichischer Offizier den Franzosen zurief: „Nehmt euch in Acht, sonst fliegen wir Alle in die Luft! da liegen Pulverfäßer!" selbst Lannes entsetzte sich darüber; Franzosen und Oesterreicher brachen auf diesen Ruf das Gefecht ab und eilten, in der schrecklichen Allen drohenden Gefahr, gemeinschaftlich auf die Wagen, um die Munition aus den Flammen fortzuschaffen.
Das Gemetzel auf der Steinernen Brücke
Wackenreiter, ab Seite 39:
Kampf um die steinerne Brücke.
Marschall Lannes bedacht, die Donaubrücke zu erreichen und dadurch der österreichischen Besatzung den Rückzug abzuschneiden und die Verfolgung zu vervollständigen, ließ — sogleich nach dem Eindringen in die Stadt — eine starke Colonne gegen diesen Punkt vorgehen; eine Abtheilung des Weges unkundig, wurde von einer sich da einfindenden französischen Frau, unter dem lebhaftesten Feuer vorgeführt.
Flucht und Drang führte die Oesterreicher und Franzosen zu gleicher Zeit, durch das diesseitige Brückenthor, auf die Brücke, Der von den Oesterreichern verrammelte jenseitige Brückenthurm hielt den Lauf der Franzosen auf, gab aber unvermeidlich die eigenen verspäteten Abtheilungen der Wuth des Gegners Preis. Von dem Brückenthurm und den zunächst gelegenen Häusern richteten die Oesterreicher ein heftiges Gewehrfeuer auf die Franzosen ...Damals gab es noch einen Turm am nördlichen Ende der Brücke, mit einer Art Stacheldraht und Schlagbaum, da es die Zollgrenze zum umliegenden Bayern darstellte. Statt am Hoff gehörte nicht zu Regensburg, sondern war Teil des umliegenden Bayerns. Es wurde erst nach 1900 eingemeindet.
Von dem Brückenthurm und den zunächst gelegenen Häusern richteten die Oesterreicher ein heftiges Gewehrfeuer auf die Franzosen, und von dem Dreifaltigkeitsberg schleuderten die Batterien Tod und Verderben, auf Kiefen Knäuel von Kämpfenden; Freund und Feind wurden von den Kugeln und Granaten niedergeschmettert.
F. Z. M. Kollowrat stand überdieß mit dem II. Armeecorps bereit, die Brücke und Stadt am Hof auf das Hartnäckigste zu vertheidigen. Nach vielem Blutvergießen mußten die Franzosen die Hoffnung aufgeben, nach Stadt am Hof vorzudringen und Marschall Lannes befahl, den Kampf abzubrechen.
Die Stadt wurde, unter dem Vorwande daß sie mit Sturm genommen, der Plünderung Preis gegeben; um wenigstens dem Feuer Einhalt zu thun, beorderte Marschall Lannes einige Bataillons zum Löschen.
Die französische Armee lagerte in der Stadt und Umgebung. Napoleon nahm, am Spätabend, sein Hauptquartier in der Karthause Prüll.
Napoleon - so ist nun mal der Krieg (C'est la guerre, c'est la vie)
Als Fürst Primas sich am 24. April bei Napoleon darüber beklagte, dass die französischen Soldaten das gebeutelte Regensburg plünderte, zuckte Napoleon angeblich die Achseln und sagte, „c'est la guerre (so ist der Krieg)“ und aß ruhig fort (Weiniger, S. 22) Manchmal liest man auch das Zitat in der Form "c'est la vie, c'est la guerre" - so ist das Leben, so ist der Krieg.
Wie auch immer - wie der Krieg aus der Sicht des gemeinen Soldaten und des Bürgers aussieht, haben wir schon ein wenig aus der Schilderung von Wittmann sehen können (Teil 2).
Das Werk von Wackenreiter dagegen, also die "Erstürmung von Regensburg" beschreibt die Schlacht überwiegend aus der Sicht eines Feldherrn.
Anders im seinem ein Jahr später erschienenen "Nachtrag zur Erstürmung von Regensburg"
Hier sammelte Wackenreiter viele nachträgliche Notizen, Aufzeichnungen und Korrekturen zu seinem Hauptwerk.
Eine Notiz beschreibt die Situation in der Altstadt aus Sicht des Regensburger Chor-Vikars Mettenleitner (S. 42) :
Die siegenden Franzosen stürmten über aufgehäufte Leichen bis auf die steinerne Brücke, welche die Oesterreicher Schritt für Schritt tapfer vertheidigten. Allein es war aller Widerstand vergebens, die Franzosen drangen über die Brücke durch den schon brennden, den äußeren Thurm in Stadt am Hof ein, in der Absicht auch den Dreifaltigkeitsberg zu erstürmen ...
Zu diesem Elend des Tages und der Nacht gesellten sich quälender Hunger, Mangel an Nahrung, Plünderung, Mißhandlungen, Geschrei der Verunglückten, Sterbenden, Verwundeten, wilder Lärm der Abends 9 Uhr, über die steinerne Brücke zurückkehrenden siegreichen Krieger. So wurden die Bewohner Regensburg's von zwei Seiten durch ein immer weiter um sich greifendes Feuer eingeschlossen, allerseits immer mehr geängstiget und gequält, viele an den Bettelstab gebracht und außer den empfindlichen Leiden von diesen schrecklichen Folgen des Krieges und der jammervollen Bestürmung der Stadt sind auch noch die, in wenigen Wochen, getragenen Einquartierungen von beinahe 200,000 Mann voraus gegangen ...
Es war Mitternacht, das österreichische Artillerie-Feuer hörte auf und die Franzosen wurden nun auch Meister der Donaubrücke und von Stadt am Hof. Napoleon musterte den 24. Morgens seine Truppen . . . und machte während seines zweitägigen Hierseins mehrere Ausritte über die steinerne Brücke und in die Umgegend . .." Aus den Papieren des Hochwürdigen Herrn Chor»Vikars Dr. Mettcnleitner.
Interessant fand ich einen Abschnitt auf S. 42, stammend von Professor und Regens Joh. Nep. Ring, der nach der Zerstörung des Mittelmünsters (Jesuitenkloster St. Paul) die Leitung des Militärlazaretts übernahm. Die Hervorhebung in roter Schrift stammt von mir:
Einblick in das damalige Lazarethleben.
„Es liegt mir schon lange Zeit im Sinne, den Zustand und das Elend meines Lazarethes zu schildern. Denn ich habe es schon einigemal ausgesprochen:
Man sollte Jeden, der einen Krieg zu beschließen gesinnt ist, ehevor in ein Lazareth führen können, und ihm dort all das Elend sehen lassen, das auf verwundete Krieger wartet, und die Schmerzen und Leiden, welche hier die Menschheit ausstehen muß — gewiß! er würde sich kaum zu einem Kriege entschließen.
1. Es wird eine lange Zeit erfordert bis ein Lazarett) ordentlich eingerichtet werden kann, besonders wenn die Anzahl der Verwundeten groß ist. Aber wer will 100. 200, 300 Menschen gleich mit Betten, Zudecken, Wäsche und anderen Nothwendigkeiten versehen?
2. Da werden dann die Verwundeten blutend daher gebracht; die meisten mit zerschmetterten Beinen, daß ihnen jedes Anrühren schmerzlich fällt, und man daS Geächze und Gewimmer im ganzen Zimmer erschallen hört.
3. Man legt einige auf schlechte Matrazen hin; mehrere auf Strohsäcke; die meisten auf etwas Stroh auf den Boden. Denke dir einen halbverwundeten Körper auf dieser harten Lagerstätten
4. Verbinden ist vielleicht die einzige Wohlthat, die ihnen in diesem Zustande zu Theil wird — und das wenig genug. An einige Labung durch Speise und Trank ist in der ersten Verwirrung kaum zu denken. Es war hier der Fall, daß in dem Spitale der P. P. Dominikaner die Blessirten 3 bis 4 Tage ohne Nahrung gelassen waren.
5. Aber das ist vielleicht immer noch zu dulden. Der Schmerz ist noch neu; die Betäubung des Schlachtgetümmels hat die Kräfte eraltirt. Nun aber kehrt die Besinnung zurück und der Vermundete fängt an, sein Elend zu fühlen. Fern von seiner Heimath, oft unter Menschen, deren Sprache er nicht versteht, muß er. Tag und Nacht seine Schmerzen dulden.
6. Er liegt im Unrath da und kann sich nicht Helsen.
7. Seine Wäsche wird voll Schmutz; er kann sie nicht wechseln. Die Nnreinlichkeit erzeugt Ungeziefer, daS sich manchmal ohnehin schon vorfindet und so verliert er zusehends seine Kräfte, und
8. erkranket. Daher mir einmal Einer sagte, er sei mit einem dreifachen Uebel geschlagen: l. seine Wunde (ein Knochenbruch am Fuße); 2. sei er krank und 3. werde er von den Wandläusen (Wanzen) die ganze Nacht geplagt. Er hätte auch noch das 4. und 5., Flöhe und Läuse, dazu setzen können, welche ich häusig, selbst bei Franzosen, die doch gut und reinlich gehalten wurden, wahrnahm.
9. Der Geruch, der endlich bei der lange eiternden Wunde sich ansetzt, ist fast unerträglich und von einer pestilenzischen Art, daß ich mich oft wunderte, wie es Chirurgen und Wärter beim Verbinden aushalten können,
10. Wenn nun die Fäulniß überhand nimmt, so wird auf die Secirung des Gliedes angetragen; der Fuß, der Arm wird abgenommen— ein grausames Unternehmen, welchem der Kranke zwar nicht augenblicklich unterliegt, doch oft von Tag zu Tag schwächer wird, und ohne sich mehr zu erholen, dahin stirbt.
11. Kömmt er davon, welch' eine traurige Aussicht, sein ganzes Leben lang als ein Krüppel unter den Menschen zu leben, der sich mit einem hölzernen Fuße, mit einem lahmen Arme, mit einem zerschossenen Knie, durch die Welt schleppen muß.
12. Manchmal aber giebt es Verwundungen, die nebst den gräulichsten Schmerzen aller ärztlichen Hilfe spotten. So' befindet sich Einer unter den Oesterreichern, welcher nahe an den mannlichen Theilen verwundet wurde. Der Urin verließ seinen ordentlichen Weg und gehet durch die Wunde aus. Man mag sich den brennenden Schmerz denken — und nun im vierten Monate! wie wenig ist noch Hilfe da! — Einem Franzosen ist die halbe untere Kinnlade ganz weggeschossen. Er ist zwar jetzt in etwas geheilt, aber Essen und Reden ist noch immer etwas Schweres für ihn.
13. Sollte sich eine schamhafte Seele im Lazarethe befinden, so scheint es mir, daß sie im Lazarethe wohl noch mehr, als selbst im Lager zu leiden habe.
14. Was sich in der Länge der Zeit ergiebt, wie jetzt, ist — daß der Eifer der Vorsteher ermüdet und das Mitleiden der Helfenden erkaltet. Heute zeigte mir ein Franzose Charpieen, von denen er mir sagte, daß sie schon zum dritten Male wären gewaschen worden. — Man denke sich, wie leicht ein Grundstoff von einer verpestenden Wunde zurückbleiben könne, der die schon sich bessernde Wunde wieder verschlimmert! — Wenigstens werden Manche, welche schon nahe an der Heilung waren, zusehends wieder schlimmer, und zwar äußerte sich dieß schon vor der (Sommer-) Wärme, welcher Einige dieß Verschlimmern zuschreiben könnten.
15. Was endlich die geistliche Hilfe betrifft, so besteht sie höchstens darin, daß Iene, bei welchen es gefährlich aussieht, ermahnt werden, die heiligen Sterbsakramente zu empfangen. Dann läßt man sie liegen, und gewöhnlich sich selbst besorgen, so daß ich noch bei keines Einzigen Tode zugegen war. Wie Viele aber sterben selbst ohne Sakramente dahin! —
16. Und wenn sie todt sind, der letzte Trost und das letzte Labsal christlicher Eltern und Verwandten — ein ordentliches Begräbiliß, auch dieses mangelt ihnen noch. Gleich dem Viehe werden sie nackt in einen Bund Stroh gewickelt, auf einen Wagen geworfen, hinausgeführt ohne Sang und Klang, ohne Priester, und ohne eine klagende Seele scharrt man sie in eine gemeinschaftliche Grube ein, daß keine Mutter ihre Grabstätte finden und keine Schwester eine mitleidige Thräne auf ihr Grab weinen kann. Dieß könnte doch so leicht anders sein." . . .
Bild aus dem Buch von Wackenreiter, Ausschnitt |
Bild aus dem Buch von Wackenreiter, Ausschnitt; Stadtamhof von Norden aus gesehen |
Es folgen Details aus dem Bild "Vue du siège de la ville Ratisbonne par les troupes françaises et par l'armée alliée le 23 may 1809"
http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8413540h |
Ausschnitte (verschiedene zoom-Stufen):
Das dürfte das Jakobstor gewesen sein, die linke Straße die heutige Prüfinger Straße. |
Die Zoomstufen lassen sich stark erhöhen und man sieht Details |
Ganz rechts das Ostentor, dahinter Donau, drüben Weichs. Vom Blickwinkel her muss der Betrachter auf der heutigen Augsburger Straße gestanden haben. Der Bereich hinter der hier sichtbaren Stadtmauer war der Bereich nördlich der Von-der-Tann-Straße (das ist der Weg direkt hinter der Mauer an der mauer entlang), der Bereich außerhalb ist der Parkstreifen an der Landshuterstraße, gegenüber dem alten Finanzamt. Die beiden Kirchen? Da bin ich mir nicht sicher.
Der Betrachter stand etwa an dieser Stelle, das dürfte der Bereich der Augsburger Straße (vielleicht kurz vor dem Übergang zur Bischf-Wittmann-Straße) sein. |
Die Gebäude unten rechts könnten Kumpfmühl sein. das Gemäuer mit dem umzäunten Garten könnte Teil der Prinzengärten gewesen sein. |
Vue du siège de la ville Ratisbonne par les troupes françaises et par l'armée alliée le 23 may 1809, sous comendement du grand héros L'Empereur de France Napoléon et Roi d'Italie ou par l'irruption du feu de Breche dans le Mourialles de la ville la bataille s'étandait dans tous les rues : [estampe]
- Titre : Vue du siège de la ville Ratisbonne par les troupes françaises et par l'armée alliée le 23 may 1809, sous comendement du grand héros L'Empereur de France Napoléon et Roi d'Italie ou par l'irruption du feu de Breche dans le Mourialles de la ville la bataille s'étandait dans tous les rues : [estampe] (Hinweis: Müsste 23. April 1809 lauten)
Ein weiteres Bild zeigt die Schlacht von Norden aus, allerdings mi vielen historischen Fehlern. So kamen die Franosen nicht von Norden her in die Stadt, außerdem gab es den mittleren Turm der Steinernen Brücke nicht mehr - der war 1784 abgebrochen worden. Außerdem verläuft die Steinerne Brücke nicht eben, sondern hat einen Knick.
Hier hat wohl der Künstler, der im Auftrag Napoleons die Schlacht darstellte, auf alte Stiche von Regensburg zurückgegriffen, vielleicht mit Erzählungen von anwesenden Soldaten verknüpft.
Der Tag danach
24. April im Jahre 1809. Den ganzen letzten Tag und die ganze Nacht tobte die Schlacht zwischen Napoleon und den Österreichern. Heute sind noch Brände zu löschen, Schwerverletzte zu versorgen, eingestürzte Gebäud ezu versorgen. Und die marodierenden Soldaten lassen die Regensburger ebenfalls noch nicht aufatmen. Somit kann man nicht wirklich von "Ruhe" sprechen, die eingekehrt ist.
Es gibt zwei erschütternde Bilder vom Tag danach.
Das eine zeigt das zerbombte Stadt am Hof (damals Statt am Hof) aus der Sicht von Steinweg aus. Man sieht den Protzenweiher Platz, dort, wo später der alte Dultplatz war und heute der Kanal durchfließt. Das Bild stammt aus dem Buch von Wackenreiter (Die Erstürmung von Regensburg)
Ausschnitte aus diesem Bild:
Man sieht, wie sumpfig das Gelände war, das gleichzeitig als Überschwemmungs-Puffer für die Donau sorgte. Die meiste Zeit befand sich dort Wasser, man sprach deshalb vom Protzenweiher. Ältere Stadtamhofer kennen den Protzenweiher noch aus ihrer Jugend. Form und Lage veränderten sich natürlich immer mehr. Wegen des Weihers und des Sumpfes wurde der Weg durch Mauern und brückenähnlichen Konstruktionen gestützt. Siehe: http://www.regensburger-tagebuch.de/2011/08/die-protzenweiherbrucke-und-der-alte.html |
Protzenweihergelände - Uraufnahmeblatt 1812 |
Ein zweites Bild zeigt den Platz vor dem Peterstor, ich hatte einen Auszug daraus bereits im letzten Artikel gezeigt. Hier das ganze Bild.
Das Bild zeigt im Hintergrund die zerstörte Anlage des Peterstors, das aus mehreren Gebäuden und einem Turm bestand. Das alles ist heute nicht mehr existent. Auch der Turm, den man in älteren Bildern von dieser Stelle sieht, ist ein "neueres" Gebäude, das heute ebenfalls nicht mehr existiert.
Links sieht man das Sternberg-Palais, das Palais des Wissenschaftlers Sternberg. Der Ort war als Treffpunkt für Wissenschaftler oder Interessierte international beliebt und besucht. Durch die Schlacht wurde es so stark beschädigt, dass Sternberg Regensburg verließ. Es wurde vom Fürsten aufgekauft und umfunktioniert: "Theresienruhe" hieß es danach. Im zweiten Weltkrieg wurde es wegen Zerstörungen abgerissen. Das Gebäude esistiert nicht mehr.
Diese Karte aus 1829 zeigt die Lage des Sternberg-Palais und die Ruinen der Peterstor-Anlage.
Ausschnitte von dem Stich:
Dieser Plan von Johann Mayr entstand ein Jahr vor der Schlacht, also 1808, und zeigt die gesamte Anlage in unzerstörtem Zustand (hier ist Süden oben!)